
Schieben wir zwischendrin mal wieder ein bisschen VoD-Stoff dazwischen, immerhin hat es dieser Film kaum präsent auf die Leinwände geschafft und sein echtes Reveal erst auf Disney+ in Deutschland hingelegt.
Hinter diesem unscheinbaren Titel steckt der großartige Regisseur Guillermo del Toro, dessen Geniesprache man dem Werk definitiv von Beginn an anmerkt. Kamera, Szenen, Stimmung, die Art und Weise, wie Charaktere in den Film eingeführt werden – all das zeugt von viel Erfahrung und Können.
Im Netz wird der Streifen inzwischen vielfältig diskutiert, denn genau schon wie bei Filmen wie mother! oder The Fountain spricht Antlers ein ganz bestimmtes Publikum an und ignoriert den Rest einfach, genau das sollten guten Filme in meinen Augen tun. Mehr Mainstream oder ein breiteres Publikum geht immer zu Lasten der Nische, da dann zwar mehr Menschen als solches zufrieden sind, die Zufriedenheitsrate aber bei allen wesentlich niedriger ist. Dann macht lieber eine kleinere Gruppe glücklich, die dafür aber über alle Maßen. Der Rest kann ja in den Film im Saal gegenüber gehen, und dort dann über alle Maßen zufrieden wieder raus kommen.
Und dieses Eingrenzen ist in meinen Augen ein Geschenk an jene, die genau dieses Genre sehen wollen: Anspruchsvoller Horror.
Scott Cooper, der aktiver Regisseur in diesem Streifen ist, arbeitet nämlich mit einer intensiven Bildsprache und bedient sich einer Unzahl an Metaphern, die tragischerweise sogar aufs echte Leben zurückzuführen sind und das Bild vieler Kinder repräsentieren, deren Eltern z.B. im Drogenmilieu gefangen sind. Die Analogien sind großartig dargestellt und brennen sich tief ins Hirn rein – völlig frei von dem „Wenn man Kinder dafür benutzt, ist es alles noch etwas grausamer“-Gedanken, der inzwischen ja oft als Extremismus-Stilmittel missbraucht wird.
Und genau da trennt sich in meinen Augen die Spreu vom Weizen: Die einen möchten Gore, Blut, horrende Handlungen und möglichst viel Schrecken, der spielt sich aber erst in zweiter Instanz in den Köpfen der Zuschauer ab, die sich ihren Teil zusammen reimen und vom Film immer nur mit Indizes gefüttert werden, damit man niemals auf die Idee käme, sich auszuruhen und irgendwo einen Platz der Geborgenheit zu finden.
So ist man, wenn man den Film sieht, beständig unter Anspannung und wird immer wieder von eigener Fantasie getriggert, die sich erst beim weiteren Darüber Nachdenken dann als der wahre Horror entpuppt: Was bedeutet das wirklich, als ein Kind in solch einem Haushalt aufzuwachsen?
Insofern finde ich das Gesamtkonstrukt des Films inklusive all seiner Intentionen wahrhaft löblich und perfekt inszeniert, weil es einerseits das filmische Bedürfnis nach gutem Stoff befriedigt und das Wörtchen „Dummheit“ mal gaaaanz weit weg vom Wörtchen „Horrorfilm“ ist, und andererseits als Vorzeigeprojekt dient, um die psychologische Belastung junger Menschen effektiv und einprägsam ins Gewissen zu rufen, was uns allen im Alltag dabei helfen kann, einander besser zu verstehen und friedvoller aufeinander einzugehen.
.kinoticket-Empfehlung: Horror mit massivem Anspruch, der nicht schockieren sondern eher offenbaren will: Exzellente Kamera, visuelle Einprägsamkeit und eine mit Analogien vollgepumpte Erkenntnis über so manche Szenerie, die sich hinter den verschlossenen Türen dieser Welt abspielt
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Braucht man nicht abzuwarten, hier folgen keine überraschenden Wendungen mehr.
Kinostart: 28. Oktober 2021
Original Title: Antlers
Length: 99 Min.
Rated: FSK 16
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