
Wahrscheinlich haut mir Facebook für das Cover wieder ’n Strike rein, und ich hab deshalb auch ehrlich gesagt lange überlegt, ob ich dieses oder das Alternativplakat für den Film hernehmen soll. Die Entscheidung ist deshalb so gefallen, weil oben gezeigtes Plakat (an die Facebook-Leser: Ihr müsstet nun eben den Link klicken und direkt im Blog lesen, um es auch sehen zu können) die kunstvolle Widerwärtigkeit und den Widerspruch viel besser zur Geltung bringt und den Inhalt des Films viel wahrheitsgetreuer wiedergibt.
Paul Verhoeven ist ein Regisseur, dem „scheißegal“ ist, was das Publikum denkt. Er macht schon seit Jahren seine Filme, bringt die Dinge so auf die Leinwand, wie er sie sich vorstellt und gibt einen Scheiß drauf, was die Kritiker von sich hören lassen.
Genau dieser Linie bleibt er auch hier extrem treu. Als der Film begann, dachte ich mir: „Oh Gott, no“ und fühlte mich zurückversetzt in meine zwanghaft-christlich geprägte Kindheit, in der die schlechten Bibel TV-20:15-Uhr-Kracher das einzige waren, was man sich überhaupt ansehen durfte.
Aber recht schnell wird dann klar: Wow, die Musik ist extrem gut, die Schnitte und Kameraführung sind professionell und überhaupt steckt in diesem Schrott da vorne auf der Leinwand offensichtlich extrem viel Geld drin.
Und genau dieses Gefühl erhärtet sich dann und übt eine magische Anziehungskraft aus: Man fühlt sich auf einmal dem Werk verpflichtet und genießt diese Abartigkeit: Ein Mix aus Trash und extrem gekonnter Kunst.
Dabei zielt Verhoeven auf die Religion und offenbart einmal mehr, welch krude Machenschaften in diesen Kreisen oftmals vollzogen wurden und zum Teil bis heute werden. Es ist einfach geil anzusehen, wie sich die Hauptdarstellerin damit auseinandersetzt und alles um sich herum „zerreißt“.
Ich würde liebend gern einen Film über die Reaction der katholischen Kirche auf dieses Werk zeigen, zumal der Titel mit dem Zusatz „basierend auf wahren Begebenheiten“ versehen ist und somit einen „Das ist damals wirklich mal ungefähr so passiert“-Geschmack in sich trägt. Demnach kann man es nicht einfach als „Schund“ weglügen, sondern sollte sich schon mal damit auseinandersetzen.
Und das coole daran: Der Trash-Faktor verschwimmt nie. Und der Streifen trieft nur so vor überaus gelungenen Bildern, magischen Kinomomenten und unfassbarem Können. Allein diese Erfahrung – die Faszination für Müll – ist einen Besuch im Kino wert. Und da eben jenes wohl kaum als massentauglich ausgeführt werden kann, ist der Titel kaum in einem Saal zu finden.
Die große Botschaft des Films lautet also: Es gibt keine. Und dennoch kann man sich der magischen Fesselung vor einem überaus gelungenen Film nicht entziehen und hat irgendwie den Wunsch, das Teil einfach nochmal anzusehen, weil’s so gut gemacht ist.
.kinoticket-Empfehlung: Übt Kritik und heftige Provokation und trägt dabei dauerhaft die Non-Relevanz auf seinen Transparenten: Überaus gut gemachter Film, der zwischen Genialität und gewolltem Trash hin und herschwankt und den Zuschauer dabei nie abhängt, sondern immer mit super professionellen Bildern, Darstellungen und überaus gutem Schauspiel nachlegt. Hervorragend!
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Hier folgen keine weiteren Szenen, rausgehen erlaubt.
Kinostart: 02. Dezember 2021
Original Title: Benedetta
Length: 131 Min.
Rated: FSK 16
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