
Den Klappentext und das ganze Pressegelaber liest man sich am besten gar nicht durch … ganz ehrlich? Ich bin auch nur rein, weil auf Instagram die ganze Gay-Riege angefangen hat, darüber zu plaudern und bevor man gar nix weiß, schaut man sich den Kruscht halt an, wenn man’s schon kostenlos vor die Nase gesetzt kriegt. #Memeversteher
Und was soll ich sagen: Es war die Überraschung des Jahrhunderts. Bekanntlich schau ich mir ja ziemlich viele Gay-Movies an und bin diesbezüglich dann in der Regel enttäuscht, weil die Machart der meisten Filme halt – nennen wir‘s beim Namen – absoluter Schrott sind und vor Einfallslosigkeit und Klischees nur so triefen.
Yoah, und nu? Nu haben wir hier einen Streifen, der es so ziemlich on point trifft und von mir quasi als der erste echte, gelungene Hollywood-Gay-Movie bezeichnet wird, weil er endlich mal zeigt, dass es eben auch anders geht und man das ganze Schubladendenken auch außen vor lassen kann. Und das, obwohl man im Film wahre Co-Existenz lebt und sich ganz nach dem rühmlichen Schiller-Zitat richtet.
Tipp von mir: OV schauen oder halt OmU, denn so hab ich ihn vor den Latz geknallt gekriegt und es hat verdammt viel Spaß gemacht. Die „Lautstärke“ dieser Gruppe ist in diesem Film irgendwie gefühlt exakt so, wie in der Gesellschaft auch, Probleme werden klar angesprochen und der ganze modifizierte Bullshit wird verbal verbrannt und auf das Wesentliche runtergebrochen: Ich hab mich super verstanden und wiedergegeben gefühlt und mal nicht fremdschämen müssen.
Es gibt zu diesem Thema so viel zu sagen, zu der Gruppe, zu der Uneinigkeit, die teilweise innerhalb des ganzen Clans herrscht, zu dem sich selbst im Weg stehen etc. – und genau da baut dieser Streifen ein Vorurteil nach dem anderen ab und lässt nicht nur sekundenlang gezeigte Komparsen-Nebendarsteller „normal“ wirken, sondern weist dieses Attribut den beiden Hauptdarstellern zu. Und: Er ist kritikfähig mit sich selbst – eines der größten Probleme mit Randgruppen, die nicht im heteronormativen Konservatismus zu Hause sind – und genau das tut dem Film unfassbar gut.
Amerika reagiert ziemlich verbissen darauf, da kommt der gar nicht so gut an, aber wenn man sich überlegt, wieviele Kreaturen dort mit christlichen Plakaten auf der Straße wüten, weil sie nicht erleben dürfen, dass alle meinungskonform mit ihrer Weltanschauung sind, dann würde ich da fürs erste mal gar nicht so viel drauf geben. Logisch, dass dort dann das Gros der Masse schlecht auf einen Streifen antwortet, der ausschließlich mit Darstellern der LBGQT+-Szene besetzt ist.
Hierzulande kommt Bros tatsächlich sehr gut an – sogar bei der Presse und auch im schwulen Klientel hört man fast überall nur Gutes. Und ich kann es absolut nachvollziehen und auch Hetero-Paaren raten, sich darauf einzulassen: Ein großartiges Stück Aufklärungsarbeit, das mit ziemlich vielen Vorurteilen aufräumt und ein bisschen mehr Menschlichkeit in die Sache reinbringt und dabei verdammt lustig ist und für Vergnügen im Kinosaal sorgt.
.kinoticket-Empfehlung: So authentisch wie die Stunts in Mad Max: Fury Road mit schwulen Darstellern, jeder Menge Vielfalt, die nicht im woken Umfeld platziert als Moralapostel wirkt, sondern schrill, frech, modern und mit einer unglaublich humanen Art, die einen aufatmen lässt und mehr Freiheit zurück in das verbissene Schubladendenken bringt: Endlich mal ein gelungener Mainstream-Gay-Movie aus Hollywood!
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Braucht man nicht abzuwarten, hier folgt dann nichts weiter.
Kinostart: 27. Oktober 2022
Original Title: Bros
Length: 115 Min.
Rated: FSK 12
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