Mai 30, 2023

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Come On, Come On

Come on, Come on - Filmplakat
© 2022 DCM Film Distribution GmbH

Merkt ihr, wie’s in letzter Zeit ziemlich emotional wird? Erst reg ich mich tierisch über die Kirche und meine persönliche Vergangenheit damit auf und benutze The Eyes of Tammy Faye dafür, dann packen die Oscars zu Gunsten besserer Unterhaltung und einer kompakteren Show die handwerklichen Kategorien in eine „Voraufzeichnung“ und stoßen damit tausende Filmschaffende vor den Kopf, letztendlich rastet Will Smith auch noch aus und sorgt für einen Eklat, der selbst ein paar weitere Auseinandersetzungen und öffentliche Aufarbeitung benötigt und in diesem Moment an Lächerlichkeit und Unnötigkeit kaum zu überbieten ist … und dann kommt dieser Beitrag: Der „Hass“ reißt irgendwie nicht ab.

Meine Kritik bezüglich dieses Films möchte ich trotz all dieser Umstände und einer Notwendigkeit für mehr Frieden und Miteinander dennoch nicht ändern: Immerhin hab ich nun lange genug darüber nachgedacht, ihn inzwischen auch mehrfach gesehen und komme nicht über den Berg, meine Meinung darüber zu ändern.

Das geht schon los beim Titel: im Original wird uns das als der Street-Slang C’mon C’mon verkauft, was sich ja wieder ein bisschen in die Thematik des Films eingräbt („konservativ-seriös vs. jugendlich-unbekümmert“) und uns im Deutschen vollständig genommen wird, denn wir Deutschen lieben konservative Sprache und mögen keine Captain-Subtext-Assoziationen dazwischen.

Nächster Punkt: Schwarz-weiß. Es ist inzwischen so eine absurde Krankheit geworden, jeden Rotz immer in Schwarz-Weiß drehen zu müssen, ohne dass es dafür einen vernünftigen Grund gäbe. Schlägt man mal nach und will herausfinden, was die Herren und Damen dazu drängt, ihre Werke in schwarz-weiß zu drehen, landet man eigentlich immer bei der Aussage, es wäre eine „Hommage“ an Alfred Hitchcock und Konsorten und würde dadurch ein wenig intellektueller und elitärer wirken.

Genau den Eindruck hatte ich bei C’mon C’mon nämlich auch: Ja, es gib diese Streifzüge durch die Schluchten und Skylines amerikanischer Städte, die einen fotografischen Touch und S/W-Liebe entwickeln und tatsächlich großartig aussehen, ganz gleich, auf welcher Leinwand – aber es hätte durchaus genügt, diese Szenen dann in Schwarz-Weiß zu veröffentlichen und die „Innenraum“-Aufnahmen einfach normal und in Farbe zu präsentieren.

Der Bezug zur Fotografie ist in dem Film nämlich genauso wenig gegeben, sondern nur einer von vielen Ansätzen, die nicht ausgespielt und zu Ende gebracht werden. Sitzt man Anfangs des Films noch da und hofft sich, eine fotografische Reise durch die USA zu unternehmen, landet man ziemlich schnell an immer den selben Orten und ist gelangweilt.

Als dann der Konsens eher richtung Tonaufnahme tendiert und man anfängt, auf dieser Ebene ein wenig zu spielen und die Fantasie zu kitzeln, ist auch das bald schon wieder vorbei und man verfängt sich relativ schnell in einer ziemlich lokalen, ziemlich öden und ziemlich vorhersehbaren Love-Story, die mit elitärem Verbal-Müll gefüllt ist, den Kindern so niemals selbst von sich geben würden und der definitiv in irgendeiner Form geskriptet bzw. durch raffinierte Schnitte ganz anders in Szene gesetzt wurde.

Dazu paaren sich dann die üblichen „Ich wiederhol’s nochmal, damit du es auch wirklich erfasst hast und beim Kaviar-Fressen nicht irgendwas verloren gegangen ist“-Attittüden und so ein ganz bestimmtes, unbegründbares Bild von Erwachsenen, die sich die Welt anhand dieser Filminhalte wieder selbst so zurecht biegen, dass möglichst viel dieser Verantwortung nicht in ihren Taschen landet, sondern bei den Kindern selbst zu suchen wäre, was an sich einfach nur lächerlich ist (vergleichbar damit, dass die CDU, die jetzt 16 Jahre quasi allein an der Regierung war und einfach alles hätte machen können, nun nach 16 Jahren aktiven Politikchancen auf dem Oppositionssessel rumheult, dass man doch bitte besser manche Dinge endlich angehen möge).

Dass der Kleine schauspielerisch was auf dem Kasten hat, lass ich mir eingehen, bei Joaquin Phoenix erwarte ich das und ansonsten ärgert mich eigentlich nur, dass wir Jahrhunderte des Films hinter uns, technische Errungenschaften aus dem Boden gestampft, UHD, 4K, Laserbildprojektion, Doppel-Laser-Beamer, höchste Auflösungen und 3D und alles mögliche erarbeitet, während der Pandemie die ganzen Kinos die Zeit genutzt haben, um ihre Räumlichkeiten auszubauen, aufzustocken und so richtig Kohle da rein investiert haben, um anschließend Material geliefert zu kriegen, der diesen ganzen technischen Standard unterläuft und einfach wieder s/w-Bilder produziert, eine riesige Klatsche für alle Kinobetreiber, die ihre neue Technik damit jetzt nicht mal dem Publikum vorführen können und damit mehr Besucher anlocken könnten.

Ganz ehrlich: Hätte Hitchcock damals die Möglichkeit gehabt wie heute und ihm 4K UHD Farbkameras zur Verfügung gestanden, dann hätte er sich mit Freuden auf diese Form des Kinos gestürzt – denn der einzige Grund, weshalb der in schwarz-weiß gefilmt hat, war: Es gab schlichtweg kein Farbfernsehen und keine Kameras, die diese Technik geliefert hätten.

Denkt da mal drüber nach, bevor ihr euren nächsten Elite-Müll rauswerft.

.kinoticket-Empfehlung: Der Kleine spielt geil, die Aufnahmen der Städte in Schwarz-Weiß sind herausragend und der Rest entbehrt jeglicher Existenzwürdigkeit, ist langweilig, daneben und völlig elitär und realitätsfern.

Nachspann: 🔘🔘🔘 | Die Audio-Interviews laufen quasi bis zum Schluss, also dran bleiben!

Kinostart: 24. März 2022

Original Title: C’mon C’mon
Length: 109 Min.
Rated: FSK 6

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