
Es ist nun auch schon eine Weile her, dass dieser Streifen im Kino lief – und damit verlassen wir dann auch für’s erste die „Rückblick“-Aufarbeitung meiner Filmkritiken und wenden uns anschließend wieder etwas exklusiver dem aktuellen Kino zu.
Cédric Klapisch ist hierzulande vielleicht auch dem ein oder anderen ein Begriff – ich kenne ihn von einer wunderschönen DVD-Double-Movie Box aus meiner Kindheit: L’Auberge Espagnole. Hier finden wir klassisches, französisches Kino mit der allseits bekannten Leichtfüßigkeit, die alles und jeden dazu animiert, ein wenig freier zu atmen und alles im Leben etwas mehr easy going zu sehen.
Klapisch greift seine beliebten Themen auch dieses mal wieder auf, macht hier allerdings einige Dinge erfreulich anders.
Tanz im Titel, Tanz im Film … da schlägt normalerweise direkt mal die „Tanzfilm-Keule“ zu (ihr erinnert euch: Alle Tanzfilme haben immer exakt den selben Plot, die selben Twists, die selbe Moral und manchmal sogar die selben Dialoge) – und das wird hier eeeeendlich gebrochen: Nach dem üblichen Ballerina-Einführungs-Blabla wendet man sich vom klassischen „Ich kämpfe mich zurück zum Tanzen und bewege mich später in einem Hip-Hop-Ensemble in einem „Street Fight“ gegen den anderen mächtigen Clan der Stadt und überzeuge dabei meine Eltern, gegen die ich den ganzen Film über rebelliert habe“-Plot ab und fängt an, über den Ausdruck, die Intention und das Gefühl zu sinnieren – und da fängt der Film richtig an, Spaß zu machen!
Genau diese Eindimensionalität, die solche Genre-Filme meist mit sich bringen, wird hier durchbrochen und das alles wird durch die völlig neue Betrachtungsweise auf ein gänzlich anderes Niveau gebracht. Man findet sich irgendwie auf der psychologischen Seminar-Wiese wieder, auf der auf einmal alles möglich wird und man höhere Erkenntnisse gewinnen kann, die einem im Leben zu anderen Erfolgen verhelfen.
Ich will hier nichts vorweg nehmen, denn genau das ist für mich der Grund, weshalb man den Film schauen sollte: Dieses Prinzip lässt sich super simpel auf alles andere aus dem eigenen Leben kopieren und ist für mich ein höchst wertvoller Schlüsselmoment.
Das „tanzend durchs Leben gehen“, was man dem Filmnamen ja auch irgendwie entnehmen kann, wird auf einmal ganz neu verstanden – und deckt sich mit dem, was ich so gerne erlebe: Diese Leichtfüßigkeit in einer Welt, in der eigentlich alles permanent zugrunde geht, trotzdem seinen Spaß zu haben, Musik zu machen und dieser Beweglichkeit und Lebensfreude durch sein Schaffen einen Ausdruck zu verleihen.
Genau das wird hier getan – auf eine Art und Weise, die man definitiv nicht erwartet. Und das macht den Film dann groß. Und zwar auch, wenn man mit dem „Plottwist“ nicht wirklich was am Hut haben sollte – es ergreift einen und lässt nicht mehr los. Man swingt hinterher selbst aus dem Kinosaal und fühlt etwas, das zuvor nicht da war.
Da hier gewissermaßen „geistig“ und nicht unbedingt visuell gearbeitet wird, braucht es auch nicht zwingend die große Leinwand – damit ist auch dieser Streifen wieder prädestiniert für’s Heimkino: Hauptsache, ihr habt die Botschaft verstanden – und das klappt auch wunderbar auf dem Fernseher oder sogar dem Smartphone.
In diesem Sinne organisiert euch den Film auf irgendeine Art und Weise und schaut ihn an: Es ist ein Lehrbuch dafür, wie man sein Leben völlig anders erfahren kann.
.kinoticket-Empfehlung: Es ist endlich der Durchbruch in Sachen Tanzfilm: Man bricht den konventionellen Plot und hält sich nicht mehr sklavisch an die Regeln: Dadurch wird es irre spannend, höchst lehrreich und man leichtfüßelt anschließend ganz anders durch’s Leben! Diesen Film sollte jeder gesehen haben!
Nachspann: 🔘🔘🔘 | Hier kann man getrost bis zum Ende sitzen bleiben, die Filmklappe bleibt bis ganz zum Schluss offen.
Kinostart: 08. September 2022
Original Title: En corps
Length: 118 Min.
Rated: FSK 12
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