Juni 3, 2023

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Der vermessene Mensch

Der vermessene Mensch - Filmplakat
© 2023 StudioCanal

Der nächste Film, bei dem alle heulen, statt dankbar dafür zu sein, dass bei dem Thema endlich mal was voran geht: Der Trailer ist schon ziemlich ahhhhhhhh und der Film holt dann weitaus mächtigere Momente aufs Tableau und fängt damit an, deutsche Geschichte aufzuarbeiten.

Statt sich dem heulenden Gebahren der z.B. Süddeutschen zu ergeben und das Ding links liegen zu lassen „weil’s laut denen ja absoluter Mist ist“, würde ich empfehlen, sich den Film einfach mal zu Gemüte zu führen und auf sich wirken zu lassen.

Insofern man emotional nicht vollkommen abgestumpft und gefühlskalt ist, erwischt der einen nämlich volle Breitseite und zeigt sehr wohl, welcher Schrecken hier noch im Untergrund schlummert und in Zukunft erst noch zutage treten muss.

Die Herren und Damen der Süddeutschen haben nämlich mal ganz einfach außen vor gelassen, dass wir es heutzutage mit Generationen zu tun haben, die schon rumjammern und weinen und klagen und wehleidig sind, wenn man zwei Buchstaben bei einem Wort weg lässt. Wieviel mehr elitäre Kraft bleibt da wohl über, um dem Volk zu erzählen, was seine Vorfahren getan haben und wofür man bitteschön jetzt Reparaturen leisten sollte?

Naaa? Klingelt’s? Oder sind in der Zeitung auch schon wieder alle Gehirne in der Mittagspause und haben danach vergessen, wo der Weg zurück zum eigenständigen Nachdenken ist?

Da wir momentan ja so in einer Abkotzphase sind, mache ich einfach mal gleich weiter und lasse meinen Frust über diese Dooflappen raus, die schon bei anderen Filmen völligen Bullshit von sich gegeben haben und die man besser gar nicht mehr aufschlägt, wenn man sein Filmgusto nicht mit Dreck besudeln möchte.

Macht der Film nicht auf Anhieb alles richtig und fängt das Thema an und beendet es gleichzeitig auch?

Will ich ne Antwort auf sowas hören?

Nein, weil es nämlich völliger Unsinn ist, den der geneigte deutsche Kritiker hier wieder erwartet. Aber es ist typisch deutsch: Rumheulen, rumjammern, meckern, motzen … (und mir ist klar, dass ich in dem Moment hier grad nichts anders mache als diejenigen, die ich beschimpfe!).

Würde man das Thema so ausbreiten, dass es seine ganze Vielfalt entwickeln kann, wäre der Film 6 Stunden lang und die Herrschaften würden jammern „Boaaaaaah, das ist ja viel zu lang…… hätte man besser ne Serie draus gemacht“ blablabla….

Würde man in die Tiefe gehen und es zeigen, würde jemand was anderes finden, wo man nicht in die Tiefe gegangen ist und sagen: „Jaaaaaaaaa, aber hieeeeeeeeer ist ja auch ein Unrecht, auf das der Film nicht eingeht! Pfui!!!!!“ und auch wieder jammern….

Würde man das der Reihe nach, intensiv, umfassend und komplett ausarbeiten, würden so viele Gelder da rein fließen, dass die elitäre Regentschaft wieder jammern würde: „Jaaaaaaaaaaa, das Geld hätte man besser in Reparationsleistungen gesteckt, statt in so einen bullshittigen Film zu pulvern, wofür zahl ich eigentlich GEZ…. BLAAAAAAA“

Insofern kann man es eigentlich nur falsch machen… und wisst ihr was?

Ich war selig beeindruckt – zutiefst beeindruckt und geschockt davon, WEIL ich in der Lage dazu bin, zu spüren, dass hier die Kruste eines Planeten aufgebrochen wird und wir nur die ersten lauwarmen Luftströme der Lava sehen, die uns bald die Haut in Fetzen reißen und verbrennen wird. Denn das, was da im Untergrund brodelt und noch längst nicht ausreichend erforscht und belegt ist, sind WELTEN … dafür braucht es noch unzählige Filme, unzählige Serien, unzählige Dokumentationen, Themenabende, Auseinandersetzungen in Talkshows etc. – um dem Volk das Angedeihen zu lassen, was notwendig ist, damit hinterher auch Taten folgen und jeder versteht, dass das, was hier gemacht wird, tatsächlich wichtig und richtig ist.

Aber so weit denkt man bei der Süddeutschen halt nicht, sondern jammert. Jammert, dass es nicht perfekt ist und wir in einem schnuckeligen, kleinen 5 Minuten Clip mal eben ein Völkerverbrechen erzählt UND aufgearbeitet haben und der Film anschließend auch am besten gleich noch die Erlöse direkt an die Stämme spendet, um die es geht.

Wisst ihr was? Ihr habt schon mal rumgejammert, dass es so schlecht ist, dass das Ende so schlecht ist und wisst ihr, was dann passiert ist?

4 FUCKING OSCARS!

Deutschland hat so versagt, was seine Kritikerlandschaft angeht – und dieser Film hier ist das nächste Beispiel: Würde man den auf die internationale Bühne transportieren, würde der sicherlich auch weitaus mehr abräumen, als wir uns selbst zugestehen.

Dass da noch Handlungen von Nöten sind, darüber mockiert doch niemand – aber ganz ehrlich: Jemand geht hin, fängt an, erzählt erstmal die Geschichte und ihr echauffiert euch schon drüber, bevor das Ding überhaupt im Kino ist?

Ganz ehrlich? Was für eine Armut ist das bitte bei euch, liebe Süddeutsche? Erbärmlich! Ganz erbärmlich!

.kinoticket-Empfehlung: Eine grausame Story unserer eigenen Geschichte, die erzählt gehört, und die in immer noch verdaulichen Happen serviert wird, damit die Menschen nicht direkt vor Scham, Ekel und Grauen davon rennen, sondern wenigstens die Chance haben, sich darauf einzulassen und das Thema aufleben zu lassen: Es ist ein Startschuss, der weiteres Material benötigt, aber dennoch die notwendige Relevanz erzeugt, um das Thema aus den Geschichtsbüchern zu holen und durch aktive Sprache lebendig werden zu lassen.

Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Braucht man nicht abwarten, nach den Texttafeln darf man den Saal gerne wieder verlassen.

Kinostart: 23. März 2023

Original Title: Der vermessene Mensch
Length: 116 Min.
Rated: FSK 12

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