
Park Chan-Wook ist bekannt für seine brutalen Filme, die hierzulande ein wenig die Türen für Südkorea geöffnet haben: Irgendwie schwappen immer diese brutalen „Uns sind Körper egal, wir zerfetzen alles und trauen uns das, wovor die Europäer Schiss haben“-Filme aus solchen Landen zu uns auf die Leinwände, so dass es fast den Eindruck erweckt: „Die können gar nix anderes“. Gepaart mit etwas mystischem Unwissen über den Rest des Landes entstehen so wunderbare Vorurteile.
Cool – Zeit also, dass wir damit brechen. Und da hätten wir heute im Angebot: Die Frau im Nebel – gemacht mit den Händen desjenigen, der für Movies wie Oldboy oder die Vengeance-Filme bekannt ist. Was hier nun auf der Leinwand landet, zeugt von materialistischem Können, exzellenter Kameraführung, Knowledge in Sachen „Bildsprache“ und gewittert auf uns nieder mit einer brachialen Liebesgewalt – das hier ist eine großartig erzählte Geschichte, die sich in immer mehr Geflechten wiederfindet und dabei niemals „neblig“ wird, sondern in einem wunderbaren film noir-Modus landet, in dem man sich einfach gut aufgehoben fühlt.
Selbst als Vielseher macht es Spaß, den Gedankengängen zu folgen und der Suche nach der Auflösung ein Stück näher zu kommen. Die durchaus sanften Töne, die der Film aber im Laufe der Zeit anschlägt, runden das Paket ab und machen daraus keinen klassischen Genre-Klischee-Quatsch, sondern fügen hier völlig zu recht oscarwürdige Präsenzen zusammen und bilden in sich getragen eine stimmige Geschichte.
Mein Kritikpunkt daran wäre, dass der Film sich dadurch manchmal etwas zu sehr verstrickt und ziemlich weirde Anflüge hat, bei denen es einfach ein wenig Zeit braucht, bis man sich da reingefunden hat. Dank des koreanisch-chinesischen O-Tons hilft es hier auch nichts, wenn man in der OmU-Vorstellung sitzt: Man braucht definitiv seine Zeit, um die Untertitel zu lesen und dann erst das Bild anzuschauen – und das kann durchaus fordernd sein, zumal der Film mit 138 Minuten Laufzeit jetzt auch nicht der kürzeste ist.
Alles in allem aber ein wunderschöner Reigen an melodramatischem Erguss, der sich fließend über den Kinosaal legt und die Menschen der Reihe nach umspült und hinterher so richtig mit seinen Inhalten durchtränkt hat. Bin gespannt, wie man das am kommenden Sonntag in Los Angeles zu würdigen weiß.
.kinoticket-Empfehlung: Ungewohnt liebevolle Klänge aus dem sonst so martialischen Korea, eine zärtliche Liebesgeschichte eingehüllt in das Format des film noir – zu Recht oscarprämiert: Darf man gerne gesehen haben.
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Braucht man nicht abzuwarten, hier folgt nichts weiter.
Kinostart: 02. Februar 2023
Original Title: Heojil Kyolshim | Decision to Leave
Length: 138 Min.
Rated: FSK 16
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