
Das Arabische ist für die westlichen Generationen meist mit Schrecken verbunden, denn es wird überall und immerzu als terrorverbunden in den Medien dargestellt. Ehrlich gesagt kenne ich keinen einzigen Film, in dem irgendwelche arabischen Mitbürger mal als die Guten präsentiert wurden. Über all die Jahre wurde so ein Menschenbild anerzogen, bei dem bereits mulmige Gefühle auftauchen, wenn irgendjemand arabisch Aussehendes die Leinwand betritt. Innerlich ist man darauf programmiert, dass jetzt gleich etwas Schreckliches passieren wird.
Der Grund für das Unbehagen ist schlichtweg oft einfach Unkenntnis. Man weiß nicht, was einen erwartet, man ist nicht vertraut mit Prinzipien und Kultur, man hat schlichtweg keine Ahnung und ist erstaunt und verwirrt über das Leben „irgendwo fernab der Heimat“.
Diese Gefühle sind mit Angst verbunden und die wird permanent weiter geschürt, da immer dann die Schreckensmeldungen auftauchen, wenn „dort“ mal wieder etwas grausames passiert ist. Ganz normale Alltagsmeldungen, Veranstaltungen, bei denen nichts passiert … so etwas taucht in unseren Medien einfach gar nicht erst auf.
Nun könnte man eine Grundsatzdiskussion lostreten von wegen „Wie würdest du dich fühlen und reagieren, wenn dich jeder, der dir begegnet, erstmal für einen potentiellen Attentäter hält“ – aber das möchte ich gar nicht. Vielmehr liefert Die Kairo Verschwörung sehr interessante Einblicke in die Weltanschauung der arabischen Länder und des dort vorherrschenden Glaubens, der inzwischen in aller Welt anzutreffen ist und den wir bis heute immer noch nicht verstanden haben.
Versteht mich nicht falsch: Ich möchte nicht heiligen, dass hier im Namen Allahs Menschen umgebracht werden, dass viele unmenschliche Gräuel verübt wurden – ich möchte diese Dinge aber genauso wenig auf den arabischen Glauben reduzieren und die christlichen Morde und Grausamkeiten verschweigen: Religion ist immer irgendwie „zweifelhaft“ und letztendlich grausam – ganz gleich, welche (wenn man von den defensiven buddhistischen Varianten mal absieht).
Dieses Feingefühl der Unterscheidung bringt dieser Film hervorragend zur Geltung. Man differenziert, und das ist in meinen Augen sehr sehr wichtig. Man leitet Zusammenhänge her, man schaut sich Herkunft und das „Warum“ an, man beleuchtet Person, Umstände, Entwicklungen, Möglichkeiten und zeigt, dass oftmals gar keine andere Wahl besteht, als diese Wege zu gehen, die die einzelnen Individuen oftmals vielleicht gar nicht wollen.
Genau das hat meiner Meinung nach zu dieser inzwischen unerträglichen Debatte über muslimischen Glauben geführt: Die undifferenzierten Aussagen von Andersgläubigen über eine Religion, die sie nicht verstehen und nicht kennen und deren Aussagen auf eben jener Angst begründet sind, da sie ihr eigenes Territorial angegriffen sehen und somit einfach mal „wüst um sich schlagen“ – wenn auch „nur“ mit Worten.
Jene Worte können verletzend sein, dieses Verhalten ist genauso unmenschlich und zeugt nicht von humanem Umgang miteinander. Und wenn man‘s christlich bügeln möchte: Das ist auch keine Nächstenliebe und keinerlei Zeugnis von einem guten christlichen Benehmen.
Nun kommt Die Kairo Verschwörung und geht dort mitten rein … aber überlässt es dem Zuschauer selbst zu entscheiden, wer der Gute und wer der Böse ist. Und dieser Faktor ist neu (und wird wohl in den arabischen Emiraten für einigen Unmut sorgen). Gleichsam taucht dieser Film sehr stark in die Glaubensgemeinschaft ein und zeigt Einblicke, die man so vorher auch selten bis gar nicht cineastisch bewundern durfte. Damit macht man hier einiges neu und entdeckt eine neue filmische Spielwiese für sich, die durchaus spannend ist, unterhaltsam sein kann und zwar hier und da noch ein paar ungeschliffene Kanten und Ecken hat, die jedoch dem Filmgenuss keinerlei Abbruch tun – ein Streifen, den man sehr gerne in den Fundus der gesichteten Filme mit einarbeiten sollte. Also ab ins Kino!
.kinoticket-Empfehlung: Ein völlig neuer, intensiver Einblick in arabische Glaubensgemeinschaften mit völlig neuen Denk- und Anschauungsansätzen – sehr spannend und gefühlt bisher so noch nie da gewesen.
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Braucht man nicht abzuwarten, hier folgt nichts weiter.
Kinostart: 06. April 2023
Original Title: Boy from Heaven
Length: 121 Min.
Rated: FSK 12
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