
Man könnte meinen, schon wieder vor dem Aufguss längst erzählter Geschichten zu stehen, just another screaming movie, just another boosted poster, doch nix da: Dune liefert den wohl besten Beweis unseres Jahrzehnts von cineastischer Schönheit und inhaltlich gehaltvoller Dramaturgie.
Aber der Reihe nach: Wo kommt das alles überhaupt her?
Ein gewisser Frank Herbert schrieb im Jahr 1963 den inzwischen über 12 Millionen mal verkauften Fortsetzungsroman Dune, ließ diesen 1966 dann in ein Buch umarbeiten und diesem wiederum neue Geschichten in jener Auflistung folgen:
1969: Dune Messiah
1976: Children of Dune
1981: God Emperor of Dune
1984: Heretics of Dune
1985: Chapterhouse Dune
2007 und 2008 lieferten sein Sohn Brian Herbert und dessen Co-Autor noch zwei weitere Bände ab: Hunters of Dune und Sandworms of Dune, die jedoch von der Fanbase nicht als Original anerkannt wurden und sich daher eher von der Grundidee des inzwischen verstorbenen Erfinders der Saga entfernten.
Dazu kommen unzählige Kurzgeschichten, weitere Romane und Korrelationen, kurzum: Dune ist ein Meilenstein in der Literatur, der natürlich auch von der Filmwelt aufgegriffen und mehr schlecht als recht umgesetzt wurde.
Den ersten Versuch unternahm 1984 Regie-Legende David Lynch mit Der Wüstenplanet, gefolgt von John Harrisons Mini-Serie Dune – Der Wüstenplanet im Jahr 2000. Drei Jahre später versuchte sich noch Greg Yaitanes an der Fortsetzung Children of Dune als Sci-Fi-Mini-Serie.
Schon damals abschreckend: Die Laufzeit. Möchte man sich das filmische Vermächtnis am Stück reinziehen, sitzt man geschlagene 661 Minuten da, was in ungefähr dem Pendant von 11 Stunden entspricht.
Dazu gesellen sich jetzt nochmal 156 Minuten von Regisseur-Ikone Denis Villeneuve, der damit die dritte Adaption des Originalstoffes auf die Kinoleinwand bringt und das (junge) Publikum erneut von diesem literarischen Epos begeistern möchte.
Und es lohnt sich: Dune aus dem Jahre 2021 entpuppt sich als das von mir erwartete Glanzstück seiner Zunft: DAS Positivbeispiel schlechthin, wie man es richtig machen sollte – und zwar in jederlei Hinsicht.
Schon im Vorfeld wurden dazu die goldrichtigen Entscheidungen getroffen, angefangen damit, dass er den Regisseursposten von James Bond: Keine Zeit zu sterben ausschlug, um sich voll und ganz der Interpretation von Dune widmen zu können.
Villeneuve ist kein unbeschriebenes Blatt mehr: Mit The Arrival, Enemy und Sicario hat er längst bewiesen, dass sein Job als Director die beste Entscheidung war und er richtig was auf dem Kasten hat – auch in Sachen „Neuverfilmung“, was er mit Blade Runner 2049 ja auch schon unter Beweis gestellt hat.
Er veranschlagte nicht die gern gesehenen 12 Monate Drehzeit, sondern setzte gleich das Doppelte an und warb bereits vor Beginn dafür, das Spektakel als Zweiteiler drehen zu können, um die Figuren und den Handlungsplot dementsprechend herauszuarbeiten und der Buchvorlage wenigstens einigermaßen gerecht zu werden.
Außerdem gelang ihm das Kunststück, den Kennern der Materie keine Wiederkäuung vor die Füße zu werfen und allen Neulingen trotzdem eine Einführung in die Geschichte zu geben, die sie für alles fit macht, was man über Arrakis und Co. wissen muss, ohne dass sich dabei auch nur ein einziger im Saal langweilt.
Und ganz ehrlich: Man merkt von der Laufzeit halt einfach mal gar nix! Du gehst aus dem Teil raus wie aus einem ganz normalen anderen Film und hast das Gefühl: 120 Minuten – Schluss. Es ist von Anfang an spannend, man arbeitet durchweg mit Kurzweil, hält sich an dramaturgische Regeln, findet auch als Filmnarr keine Filmfehler und fühlt sich von der aufgebauten Größe einfach nur positiv erschlagen.
Villeneuve würdigt das Original in einer Art und Weise, die ich so nicht erwartet hätte: Überall spürt man den Geist von Dune und merkt, dass man hier keinen Wettstreit lostreten möchte, sondern den Fans einfach eine völlig neue Welt zuteil werden lässt: Diejenige, die sie lieben und die sie von unsererem pandemisch verseuchten Planeten entführt und damit genau das erfüllt, was sich momentan gerade jeder Kinogänger so sehnsüchtig wünscht: Endlich wieder träumen, endlich wieder andere Welten, endlich wieder epochales Kino, das in Sphären aufsteigt, aus denen sich in den folgenden Jahren sogar Star Wars mit seinem Universum bedient hat.
Und in meinen Augen hat er damit einen totalen Volltreffer gelandet: Ich saß die ganze Zeit nur mit Gänsehaut im Saal und habe die epochale Wucht auf mich runterprasseln und die visuelle Intensität in mich eindringen lassen: Ein Hochgenuss, wie wir ihn seit langem nicht mehr hatten. Überall verströmt eine erlesene Hingabe zu dramatischen Kamerafahrten, sinnlichen Slow-Motions und einem Hang zu theatralischer Ästhetik, der sich wie Spice langsam durch den Saal direkt in deine Seele durcharbeitet und dich vollkommen erfüllt.
Und je mehr Cast auf der Bildfläche erscheint, umso häufiger durchfließt dich Zufriedenheit und pures Glück: Echt jeder einzelne Charakter wurde so sorgfältig und „richtig“ ausgesucht: Die Chemie stimmt und wirklich jeder macht seine Sache sowas von super und fügt sich in dieses große Epos ein: Auch hier wieder keine Rangeleien um mehr „Bildschirmauffälligkeit“, sondern man arbeitet an einem Strang an einem großen Ganzen und begeistert den Zuschauer mit einer ungeahnt ausgeweiteten Harmonie.
Dazu gehört auch der Soundtrack: Hans Zimmer ist inzwischen prominentes Inventar von Hollywood und böse Zungen mögen meinen, es „hört sich alles gleich gut an“: Auch da muss man meiner Meinung bei Dune wieder eine Ausnahme machen: Das Thema ist hervorragend herausgearbeitet und die Klänge machen aus der visuellen Bilderschlacht etwas Greifbares und hieven die sowieso schon gigantischen Eindrücke nochmals um ein paar Dimensionen höher.
Ganz ehrlich: Einen klareren Kinoeindruck und so viel Stimmigkeit und Hochgenuss hatte ich schon lange nicht mehr – nach dieser Show spaziert man raus und denkt sich: Wow – was für ein Teil!
.kinoticket-Empfehlung: Ihr braucht keine Vorkenntnisse, solltet keine Angst ob der Laufzeit haben und euch in der Flut an Veröffentlichungen derzeit einfach direkt für diesen Film entscheiden: Niemand wird den Kauf des Kinotickets für Dune bereuen. Villeneuve hat die beste Interpretation dieses Buches auf die Leinwand gebracht und dabei alles richtig gemacht – und das beste daran: Teil 2 kommt ja erst noch!
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Angesichts des wunderschönen Soundtracks kann man die visuelle Gewalt ruhig noch ein wenig nachsacken lassen, kommende Szenen braucht man aber keine erwarten, dafür folgt in einigen Jahren dann Teil zwei dieses Epos.
Kinostart: 16. September 2021
Original Title: Dune
Length: 156 Min.
Rated: FSK 12
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