Juni 4, 2023

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Empire of Light

Empire of Light - Filmplakat
© 2023 Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH

Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich das Poster bringe, darüber schreibe: „Danke dafür!“ und es dabei belasse, um bei euch so viel Neugier auszulösen, dass ihr dennoch ins Kino geht und ihn euch anseht.

Irgendwie finde ich kaum Worte für das, was Empire of Light bei mir auslöst. Ihr wisst ja, dass ich inzwischen quasi fast immer von den Studios dazu eingeladen werde, Kinofilme vor Kinostart anzuschauen und ich möchte mal ein wenig zurückgreifen und erzählen, wie es dazu kam.

Als Kind schon hat mich Film fasziniert. Ich fand es erstaunlich, dass es schier unendliche Möglichkeiten gab, meiner eigenen Realität zu entfliehen und in fremde Welten einzutauchen – und dass man mit der Auswahl des Films sogar steuern konnte, wie diese Welt sein sollte.

Ich habe Filme im Übermaß konsumiert. Damals noch in Form von Ausleihe aus Videotheken, später dann mit einer schier übermenschlichen Sammlung zu Hause (ich habe quasi umhüllt von DVDs und später Blu-rays geschlafen und hatte kaum Platz für andere Dinge) und später, als es finanziell einigermaßen eigenständig wurde, dann eben auch Kino.

Meine Mitschüler wussten das und so kam öfters mal die Frage auf: „Du, du hast doch Film x bestimmt schon gesehen, wie ist der denn? Lohnt der sich?“

Was in Folge dazu führte, dass ich unendliche Male über den selben Film pro Woche referieren durfte, was mir irgendwann dann einfach zu blöd wurde und ich meine erste Filmkritikseite ins Leben rief. Fortan sollte also jeder die Kritik auf meiner Website lesen statt mir meine Pausen zu klauen. Das Ding lief gut, bis mir der aufkommende Jugendschutz und meine fehlenden Fähigkeiten, eigene Websites zu gestalten, um die Lustlosigkeit des Providers zu Handeln zu umgehen, einen Strich durch die Rechnung machte.

Ding geschlossen, weiterhin Filme gesüchtelt, und immer mehr im Kino gewesen, als woanders.

Anhand meines Blognamens und meiner immerwährenden Erwähnung, sich Filme unabgelenkt auf der großen Leinwand anzusehen, dürftet ihr inzwischen erraten haben, was ich für den perfekten Ort für Kinofilme empfinde: Richtig! Es ist nicht Netflix.

Es kam, wie es kommen musste, ich startete mein Blog und schrieb, was ich privat im Kino gesehen hatte. 300 Filme, 400 Filme … und irgendwann stieß eine Berliner Presseagentur auf meine Seite und fragte an, ob ich mich dazu einladen lassen würde, Kinofilme schon vor Kinostart zu sichten, damit meine Rezensionen dazu bereits online gehen können, bevor der Film gestartet ist.

Ungläubig aber interessiert machte ich mich auf in neue Gefilde und tatsächlich: dieser Traum war echt. Ich durfte wieder im Kino sitzen, hatte auf einmal recht prominentes Publikum um mich herum und alles war wie vorher – nur der Bezahlvorgang fehlte. Stattdessen gab es gratis Getränke, Popcorn, andere Kleinigkeiten bis hin zu ganzen Frühstückexzessionen und Banketts in den besten Orten des Landes.

Ich tauchte tiefer und tiefer in die Materie ein. Lernte das Hinter-den-Kulissen kennen, verbrachte inzwischen auch die Zeit zwischen den Vorstellungen komplett im Kino und sah quasi gar kein Tageslicht mehr.

So viele Filminteressierte, die an den Einlässen, der Kasse, der Konzession arbeiteten und sich mit dir über alles unterhalten wollten, was im Rahmen der Embargo-Freigaben möglich war. Die Liebe zum Film ist bis heute ungebrochen und der Flair, den ein Kino hat, wirkt bis jetzt immer noch absolut magisch auf mich. Das Verstummen der Schritte, wenn man von Beton zu Teppich übergeht, das ruhige Hallen in den Foyers der riesigen Hallen, wenn Stimmengewirr sich im Größenwahn verlieren, das Beschreiten der Filmtempel, der Geruch von Popcorn und Zucker, das Knistern und Rascheln von Tüten, und letztendlich der magische Moment, wenn das Logo des Studios aufblitzt und man weiß: die Reise geht los – in eine fremde Welt. Schön, dass Sie heute unser Gast sind.

Phew. Und für all das brauch ich jetzt nichts mehr zahlen? Ja, es ist mit so viel Arbeit verbunden, dass man menschlich manchmal an seine Grenzen gelangt, nicht mehr weiß, ob man weitermachen soll, überlegt, alles hinzuschmeißen, weil der Körper einem anfängt, Striche durch die Rechnung zu machen. Aber dann kommt der Moment, wo man wieder im Saal sitzt, das Licht ausgeht und der Film beginnt – und denkt sich: niemals. Niemals kann ich das hier einfach aufgeben.

Im Zuge dieser erhöhten Wahrnehmung kriegt man auch sehr viel mehr mit als das „Standardpublikum“. Weil Kinopersonal arbeiten muss, erzählt man sich halt zwischendrin beim Putzen weiter und sieht den Saal im wahrsten Sinne des Wortes in einem völlig anderen Licht.

Man lernt Projektorenräume kennen, lernt etwas über Abläufe im Kino, lernt diejenigen kennen, die die Technik entwickelt haben und das Projekt Kino für die Zukunft vorantreiben. Hört Referate über ihre Absichten, über Entwicklungsmöglichkeiten, sieht eben weit über den Tellerrand hinaus. Diese Welt ist etwas, das uns von den inzwischen unzähligen VoD-Providern klammheimlich gestohlen und dessen fehlende Existenz uns beim Vertragsabschluss verschwiegen wird: Auf Netflix, Disney+ und wie sie alle heißen, gibt’s diese Kinoliebe nicht. Dort existiert kein Popcorngeruch. Dort gibt es keine anderen, mit denen man vor oder nach dem Film schwärmen könnte, dort ist nur das kalte, nackte Medium, mit dem man allein gelassen wird und das man dank schlechter Internetverbindung dann auch stellenweise in mieser Qualität zu sehen kriegt.

Der ganze Charme, die ganze Magie ist verloren. Bei den Pressevorführungen gibt es – je nach Film – auch extrem strenge Einlasskontrollen, teilweise mit Bodycheck, man muss Handys und technische Geräte abgeben. Es wird während der Vorstellung mit Nachtsichtgeräten geprüft, ob jemand heimlich mitfilmt und die Angst, dass Material vor Kinostart illegal nach draußen gelangt, ist riesig.

Ich muss dann immer schmunzeln und sage den Herrschaften: „Leute, ich bin von kinoticket-blog.de, wenn einer will, dass die Leute ins Kino gehen, bin ich das.“

All das gehört für mich zum Film dazu. Und es gibt nichts schöneres, als aus einem Film raus zu kommen und das gesamte Kino gehört einem allein, weil alle anderen längst zu Hause sind und man der letzte im Haus ist. Dann war es ein gelungener Tag.

Warum ich euch das alles erzähle? Sam Mendes hat den passenden Film dazu gemacht. Er hat diese Liebe fürs Kino eingefangen und selbst auf die Leinwand gebracht. Man mag seine Struggle in gewissen Gesichtspunkten dieser Story vergeben, aber ich glaube, vordergründig ging es gar nicht darum, einen Plot zu erzählen, sondern der Streifen reiht sich einfach nur in einen aktuell vorherrschenden Geist ein, der das nostalgische Hollywood feiert und mit Sehnsucht und Liebe auf ein vergangenes Äon zurückblickt. Babylon – Rausch der Ekstase, Die Fabelmans – und jetzt eben noch Empire of Light – sie alle schauen auf etwas zurück, für das wir aktuell immer mehr kämpfen müssen, um diese Form von Kultur nicht zu verlieren und sie dem Kapitalismus zum Fraß vorzuwerfen. Und damit all jene, die beim noch laufenden Abspann bereits den ersten Cocktail an der Bar im Club nebenan auf dem Tresen stehen haben, auch etwas von der Magie von Kino mitkriegen, hat Mendes genau das zum Hauptthema gemacht und es in den Film selbst geholt: Die pure Liebe zum Kino und zum Film. Wenn das Drumherum in seiner Geschichte manchmal nicht so ganz funktioniert, ist das nicht so schlimm. Im echten Leben funktioniert doch meist auch nicht alles so, wie es sollte.

.kinoticket-Empfehlung: This is for the movie cinema lovers. Without exception.

Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Habt ihr nun den Respekt und bleibt auch bis zum Schluss sitzen, egal, ob noch was kommt oder nicht? 🥰

Kinostart: 20. April 2023

Original Title: Empire of Light
Length: 116 Min.
Rated: FSK 12

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