
Wenn Märchen verfilmt werden, wird’s in heutiger Zeit entweder blutig, skurril, obskur oder anderweitig grausam: Die klassische Grimmsche Erzählung hat längst ausgedient und lockt niemanden mehr hinter dem Sofa vor, um sich auf selbiges zu setzen und sich eine dieser Stories zum Besten zu geben.
Nun wird’s richtig schlimm: Gretel & Hänsel bricht zugunsten von Gleichmacherei sogar noch mit dem Titel – und ja, ich hab tatsächlich rumgefragt und mir von verschiedensten Frauen erzählen lassen, dass es im Alltag tatsächlich immer noch gravierende Situationen gibt, in denen sie sich benachteiligt fühlen und jede von ihnen hat mir bestätigt, dass solch eine Titelumbenennung kein einziges Stück dazu beiträgt, diese Umstände besser zu machen. Manche behaupteten sogar, dass solche Handlungen dem eher im Weg stünden.
Darüber hinaus ist hier auch kein Film im klassischen Sinn entstanden, sondern eher ein perfides Kunstwerk, das keinerlei Anstalten macht, etwas im althergebrachten Style zu erzählen, sondern vielmehr seine Präferenzen auf Formen, Farben, Kameraeinstellungen, Spiele mit Licht und Schatten etc. legt und damit aus der Unterhaltungsindustrie komplett heraus tritt.
Ich würde sagen, dieses Werk könnte man in Dauerschleife in einem Museum ausstellen, und zwar nicht, weil’s altbacken und konservativ ist, sondern weil eine Kunstschau die richtigere Bühne wäre und sich der klassische Kinogänger zuweilen darüber wundern oder ärgern könnte, hier keinen Film zu sehen, sondern tatsächlich ein kreative Schöpfung anderer Art.
Lässt man sich darauf ein, dass das kein Film, sondern tatsächlich „Kunst“ ist, dann erlebt man hier ein großartiges Spiel mit Formen, Symbolen, Farben und Kameraeinstellungen, die aber von Unterhaltung so weit entfernt sind, wie nur irgend möglich.
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Hat keine weiterführenden Szenen, rausgehen erlaubt.
Kinostart: 9. Juli 2020
Original Title: Gretel & Hansel
Length: 87 Min.
Rated: FSK 16
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