
Es ist einer der am heißest erwarteten Filme des Monats mit einem überaus sensationellen Trailer, der allein schon die komplette Klientel durch alle Bänke hinweg anspricht. Chapeau allein dafür. Hier wartet man mit Mode, Eleganz, Reichtum, anderen Welten, greifbarem Erfolg sowie kriminalistischen Ansätzen auf und zündet die typischen Voyeurs-Flammen in den Augen der Zuschauer an. Immerhin erwartet jeder, dass man sich nun auf ein Familienerbe stürzt und es in der Öffentlichkeit zerfetzt. Dem beizuwohnen, dafür zahlt man doch gerne den vergleichsweise günstigen Preis eines Kinotickets, nicht wahr?
Die Familie Gucci hat bereits gegen die Filmemacher geklagt, da die Darstellung von Patrizia im Film zu lieb sein soll – was dem Streifen nun unverhofft zu noch mehr Aufmerksamkeit verhilft und die Leute ins Kino strömen lässt.
Was kann ich euch nun darüber sagen, ohne eure Erwartungshaltung zu verändern oder euch die Vorfreude daran zu nehmen, solltet ihr ihn nicht schon längst gesehen haben?
House of Gucci zählt für mich zu den seltenen Phänomenen, die ihre Sache stellenweise wirklich gut gemacht haben, zeitweilig überragend sind und andererseits trotzdem im Strom der Gleichgültigkeit schwimmen und nicht wirklich präzise und einzigartig sind.
Man hat im Vorfeld schon extrem gute Arbeit geleistet und mit dem Trailer wirklich alle heiß gemacht. Ich saß stellenweise in anderen Vorstellungen, wo Zuschauer über jeden noch so erdenklichen Trailer abgelästert haben, was das denn jetzt für ein Scheiß ist, dass man sich heutzutage nichts mehr im Kino ansehen kann, dass man besser ein paar S-Bahnen später gefahren wäre, um sich diese Armut zu ersparen … und dann kam der Trailer zu House of Gucci und die Meckerfraktion war auf einmal sprachlos.
Auch die Kaffee-Szene +däng däng däng+ … ikonisch.
Dazu kommen ein paar ikonische Namen:
Al Pacino – das lässt alte und geliebte Der Pate-Momente aufleben – ein Epos
Lady Gaga – eine großartige Schauspielerin, bestens bekannt aus dem Film A Star is Born
Adam Driver – viele Filme, aber am meisten eingebrannt hat sich wohl Star Wars – ebenfalls Epos
Ridley Scott – War da nicht was mit Alien – etwas Episches aus dem All?
Ihr merkt: Alles, was man dem Zuschauer zu fressen gegeben hat, bevor das Ding final auf die Leinwand kam, war mit dem Prädikat „episch“ versehen.
Also rennen die Leute ins Kino … und dann kommt unter Umständen die Ernüchterung: Es geht vorwiegend um Mode bzw. eine Mode-Familie – und die sind bekanntermaßen alle irgendwo grundsätzlich durchgeknallt und weit weg von dem, was unser einer als „normal“ ansieht.
Und für eben jene ist House of Gucci der Film schlechthin.
Scott versteht es, Dinge ins Bild zu setzen, die für so manch einen unangreifbar erscheinen. Er weiß genau, was er tut, wie er etwas zeigen will, setzt sich händisch hin und zeichnet jeden Frame noch per Hand, damit das Team am Tag weiß, was es zu tun hat.
Das spürt man im Film: Diese Professionalität der Modemacher obliegt allem – Kostümen, Villen, dem Stil des Films selbst… es ist ein großes Ganzes und befriedigt die Sehnsucht nach etwas, das weit weg von H&M und C&A ist.
So, wie sich das Label selbst auf dem Markt inszeniert, so stellt Scott den Zuschauer auf ein Treppchen, von dem herab er auf das Geschehen der Welt blicken darf, ohne sich selbst dabei schäbig zu fühlen.
Dabei geht dann aber der „Mainstream-Unterhaltungsgedanke“ ein wenig flöten: Es ist keine hetzerische Reiße, es ist kein Drama à lá Pate, es ist selbst kein Ikonenstück, für das man feiern geht und das als alleiniger Unterhalter ausreicht. Dafür sind wir wohl zu wenig in der Szene integriert – und selbst die liegt sich nicht vor Glück strahlend in den Armen … sondern klagt.
Hier fehlte mir dann auch bei den Dialogen oder der Umsetzung etwas mehr Kick, das gewisse Fünkchen, was es braucht, um völlig aus dem Sumpf aller anderen Machenschaften aufzutauchen und sich vollständig zu erheben – statt nur den Arm nach oben zu recken und zu proklamieren, dass das nun der neue Stil sei und sich die unwissende Welt dem unterzuordnen hätte.
Dass auch hier wieder der Erzählstrang durch wahre Ereignisse vorgeschrieben ist, erschwert vielleicht so manches – aber „basierend auf dem Roman“ bedeutet auch beim Filmemachen ja ziemlich viel Regisseurs-Freiheit.
Hier wurde inzwischen recht häufig die Rolle von Jared Leto kritisiert, der sämtlicher Glaubwürdigkeit zugegen agiert und auch Lady Gaga findet sich nicht so wirklich in ihrer Rolle wieder, sondern wirkt eher wie ein Flummy, die vorgegeben gekriegt hat, was sie zu tun hat und das dann eben im Rahmen ihrer sprunghaften Möglichkeiten umsetzt.
Hier wundert mich ein wenig, dass man den Film zwar chronologisch in 43 Tagen abgedreht, dann im finalen Schnitt aber wiederum aus seiner Linie gerissen und unterschiedlich angeordnet hat – das mag in anderen Titeln etwas mehr „like a pro“ wirken, verhilft hier aber eher zu Missverständnissen und Orientierungslosigkeit des Zuschauers.
All mein Reden soll jetzt aber nicht dafür sorgen, dass ihr den Film meidet – sondern vielmehr, dass eure Erwartungen mit den Fußspitzen wieder den Boden der Tatsachen berühren – denn dann wird die Vorstellung umso größer und euer Kinoabend nicht enttäuschend.
.kinoticket-Empfehlung: Der Trailer verspricht extrem viel, der Film liefert in verschiedenen Ansätzen, schafft es in meinen Augen aber nicht ganz, sich vollständig aus dem Sud des Mainstreams zu erheben und selbst etwas ikonisches darzustellen. Ansehen sollte man ihn sich trotzdem, bevor er möglicherweise durch die Klage im Jenseits verschwindet oder der Öffentlichkeit nur noch zerrissen präsentiert werden darf.
Nachspann: 🔘⚪️⚪️ | Nach den „Abspann-Sätzen“ könnt ihr gerne den Saal wieder verlassen.
Kinostart: 02. Dezember 2021
Original Title: House of Gucci
Length: 158 Min.
Rated: FSK 12
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