Juni 7, 2023

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In einem Land, das es nicht mehr gibt

In einem Land, dass es nicht mehr gibt - Filmplakat
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Punk? Oberschnauzbärte? Leder und Nieten? Und irgendwelche „blassen“ Frauen dazu? Es reicht ein Blick, um all die Klischees des rebellierend-aufstrebenden Ostens einer jungen Generation auf einem Plakat wie diesem wiederzuerkennen.

Und dennoch: Es hat etwas Magisches. Etwas Anziehendes. Das Zusammenspiel der Farben? Die Auswahl der Coloration? Die Aufteilung? Ich weiß es nicht – oder um es mal anders zu formulieren: Ich bin extra nach Stuttgart gefahren, um mir den Film dort in der Pressevorführung anzusehen, denn andernorts wurde er zu diesem Zeitpunkt überall schon gezeigt und ich hatte jeweils keine Zeit.

Und es hat sich gelohnt. Regisseurin Aelrun Goette hat sich nämlich (wieder mal) das Thema DDR vorgenommen. ABER! Genau… inne halten, nicht gleich weg klicken, sondern kurz Luft holen und weiter lesen: … aber: es aus einem völlig neuen Blickwinkel heraus beleuchtet, nämlich einem, aus dem heraus man glaube noch nie die DDR tatsächlich betrachtet hat.

Allein diese Reise mit diesem neuen point of view macht filmisch gesehen schon mega viel Spaß. Wie haben sie was umgesetzt? Wie beleuchtet man die vorher schon unzählige Male erzählten Gegebenheiten denn nun?

Es ist ein Wunder. Es fühlt sich nämlich gar nicht so nach Ost-Movie an und der ganze übliche „Wir sind gegen alles, scheiße“-Mist, den man andernorts in solchen Fällen meist vorgesetzt kriegt, zieht hier einfach gar nicht.

Es ist so erfrischend, leicht, liebevoll und harmonisch, dass man In einem Land, dass es nicht mehr gibt vielmehr mit Cruella oder Der Teufel trägt Prada vergleichen sollte (die übrigens farblich ziemlich mit diesem hier harmonisieren), als mit anderen Movies, die sich mit dem Zerfall dieses Systems auseinandergesetzt haben.

Diese Losgelöstheit vom Staat, dieses Losgelöstsein von Stasi, Regime, Überwachung und Co. und dennoch präsent und glaubhaft darzustellen, wie die einzelnen Individuen die Gesamtsituation erfahren und erlebt haben, ist magisch. Faszinierend im Sinne von „Wow, man kann also auch anders, ohne dabei die DDR glorifizieren zu müssen“. Und genau das macht diesen Film hier so sehenswert: Es ist eine Perle, die ein leidiges Thema zu seinem eigenen macht und einfach völlig anders erzählt.

Es ist eben nicht mehr nur das Land, dass es nicht mehr gibt, sondern auch etwas, das noch nie über dieses Land erzählt wurde bzw. so breite Öffentlichkeit gefunden hat.

Leider ging dieser Streifen in der Kinolandschaft auch wieder ziemlich unter und man hat selten Plakate oder Werbung dafür gesehen. Auch, wenn es für Menschen wie mich immer ein Wehmutstropfen ist, etwas nicht im Kino zu zelebrieren, so finde ich das hier nicht ganz so schlimm, denn das Material eignet sich ebenfalls hervorragend für zu Hause, bei Popcorn, Chips, Cola und Bier.

Sollte der Streifen also irgendwo in einer Matineé auftauchen, nehmt euch die Zeit. Anderenfalls muss man momentan noch bis April nächsten Jahres warten, bis er dann endlich auf Scheibe erhältlich ist – dennoch wollte ich die ruhigen Momente am Ende des Jahres nutzen, um euch nachträglich noch auf diese Perle hinzuweisen.

.kinoticket-Empfehlung: Wenn der Zerfall eines ganzen Systems zur Nebensache mutiert und man auf einmal den Blickwinkel auf etwas völlig anderes legt, dann erzählt man eine großartige Story mit tollen Bildern und einem sensiblen Einblick hinter die Kulissen, den es so bisher noch nicht gab.

Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Muss man nicht abwarten, hier folgt nichts weiter.

Kinostart: 06. Oktober 2022

Original Title: In einem Land, dass es nicht mehr gibt
Length: 100 Min.
Rated: FSK 12

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