März 28, 2023

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Knock at the Cabin

Knock at the Cabin - Filmplakat
© 2023 Universal Pictures International

M. Night Shyamalan ist ein seltsam anmutendes Hollywood-Phänomen, das sich zu betrachten definitiv einmal lohnt. Fangen wir mal in den frühen Jahren und seinem Durchbruch an: The Sixth Sense. Damals hat er den Zeitgeist getroffen, hatte mit Bruce Willis und Haley Joel Osment den richtigen Riecher und damit eine Ikone von Film geschaffen, die die Zeit bis heute positiv überdauert.

Was dem Mainstream nicht aufgefallen ist: Nights weirde Art, die im Verlauf der Zeit mehr in Richtung Fantasy / Mystery abgerutscht ist und weniger etwas mit der damals fast schon popkulturellen Auffassung des Films zu tun hatte.

Unbreakable, Signs, The Village und Das Mädchen aus dem Wasser zeugen davon und sind allesamt Filme, die ich persönlich sehr gut finde und als eine Art „Grundlektüre“ sehe, um die Gedankengänge dieses Mannes zu verstehen und seine Art, Filme zu machen, interpretieren zu können. Gerade letzterer zeigt auf, in welchen Sphären er sich wähnt und was er dem Publikum mitteilen möchte.

Genau das trifft NICHT den Zeitgeist von Hollywood und pushte ihn von der Bühne der Aufmerksamkeit hin zu einer Randfigur, mit der niemand mehr so wirklich was anfangen konnte. Und zwar nicht im Tarantino-Style, der wiederum bis heute Kult ist, sondern eher im God’s Army-Style, der für sich steht, seine eigene, kleine Fanbase hat und ansonsten verschrieen ist.

Und auf dem Level hat er Film über Film rausgehauen, die allesamt seine Nische befriedigen, vom Massenpublikum regelmäßig verschrieen wurden und – was ich bewundernswert finde – ihn niemals davon abgebracht haben, seine Linie zu verlassen und sich der Masse zu beugen, sondern sein Ding bis heute weiter gradlinig durchzuziehen und sich selbst damit treu zu bleiben – ganz gleich, ob der Erfolg ausblieb oder nicht.

The Happening, The Visit, Split – was immer er getan hat, hat extrem widersprüchliche Reaktionen hervorgerufen und genau das tut nun auch Knock at the Cabin.

Grundstock ist ein auf der Hollywood Black List geführtes Buch, das inhaltlich vielversprechend ist und bislang nicht verfilmt wurde, von der Wesensart aber eigentlich perfekt zu Shyamalan passt.

Es beinhaltet Mysterien, es hat eine seltsame Story (und wer seine Filme wirklich mit einem etwas offeneren Auge gesehen hat, weiß auch, dass Shyamalan nie wirklich Wert auf Story oder einen guten Erzählfluss gelegt hat, sondern es ihm immer eher um Charakterbeschreibungen ging und seine Stärken darin liegen, Situationen zu kreieren, Profiltiefe zu erzeugen oder markante Persönlichkeiten zu erschaffen und zu definieren), und das kann man eben auf klassische Weise mit einer Handlungsentwicklung vollbringen, oder eben auf seine Art: Durch Entscheidungen.

Genau darum geht’s im neuen Film – und die Drohgebärde des „Bösen“, mit dem er sich auch immer gerne umgarnt, ist diesmal etwas ausgefuchster und löst beim Zuschauer (so er denn will) durchaus relevante und interessante Grundsatzfragen aus (und damit meine ich jetzt nicht „Wie würdest du dich anstelle von … entscheiden“).

Shyamalan hat also längst bewiesen, dass ihm der unstillbare Durst nach flüssiger Story vom Publikum sowas von scheißegal und er kein Regisseur ist, der diesen Drang befriedigen wird, egal, wie sehr ihn alle dafür abstrafen. Er will etwas anderes, den Blick hinter den Vorhang der Realität, er will das Faszinierende ergreifen und irgendwie in Worte packen – und versucht sich dabei halt immer wieder an neuen Methoden (von irgendwas muss er ja auch leben).

Knock at the Cabin empfinde ich persönlich als einen der Höhepunkte seiner Karriere (bis jetzt), weil genau diese Art hier bis zum Zerbersten ausgekostet wird und der Film auch an anderen Stellen alles richtig macht (was einem beim ersten Mal schauen kaum auffällt).

Zum Beispiel: Ist euch die fluide und absolut gelungene, harmonische Umgebung ins Auge gefallen? Stimmungen, Lichtakzente, harmonisches Bild – und zwar in allem. Die Gebäude verschmelzen mit der Umgebung, die Figuren passen sich ihrem Umfeld an, die Farben und Klänge stimmen und insgesamt spielt man auch hier wieder mit Tönen, Andeutungen und übersinnlichen Wahrnehmungen auf hohem Niveau.

Achtet z.B. mal auf die Farben „blau“ und „rot“ im Zusammenhang mit gegeneinander wirkenden „Kräften“, die sich in und um die Personen herum immerzu manifestieren. Genau das ist die Ebene, auf der Shyamalan spricht und genau das ist, was den Durchschnitts-Kinogänger kaum interessiert. Warum wohl floppen seine Filme seit Jahren?

Dieser Umstand lässt mich jedoch nicht davon abbringen, dass dieses Werk in Gänze genial ist, wenn man seine Sprache spricht und über den Zaun springen kann, dass er sich nun an Themen vergreift, die man von anderen Labels besser umgesetzt kennt. Shyamalan ist ja kein Roland Emmerich oder Michael Bay, die ein völlig anderes Genre ausweisen und mit ganz anderen Stilmitteln arbeiten wollen.

Er nutzt Methoden, um etwas zu erzählen, das keine Referenzen aufweist und übt sich immer wieder an so „schwerem Stoff“ und würzt es mit seiner unverwechselbaren, persönlichen Note.

Wenn mehr Regisseure in Hollywood derart Eier in der Hose hätten, würden wir uns längst keine Gedanken mehr um inhaltliche Vielfalt machen, sondern an geistreichen Ideen erfreuen, die „wie am Fließband“ produziert werden würden… die Tatsache, dass man uns jahrelang schon „Einheitsbrei“ um die Ohren schmettert, zeugt davon, dass es eigentlich mehr Leute wie Shyamalan braucht – eben jene, die ihre Nische finden und sie dann beständig ausfüllen um genau dieses Publikum zufriedenzustellen.

Ich gehöre dazu – und empfehle daher: Schaut ihn euch an und probiert wenigstens, auf diese diffuse Herangehensweise einzugehen, vielleicht entdeckt ihr ja doch mehr Mysterium als ihr anfangs glaubt.

Achja – und: Schaut definitiv keinen Trailer. Nein niemals nicht! Finger weg! Alles, was spoilert, macht den Film grundsätzlich zunichte.

.kinoticket-Empfehlung: KEINE TRAILER SCHAUEN. ICH DARF KEINE TRAILER SCHAUEN. ICH DARF KEINE TRAILER SCHA… 😉

Shyamalan ist ein Eigenbrötler, der seine ganz persönliche Sprache spricht und sich auch nicht von Erfolglosigkeit davon abbringen lässt, seine Idee filmisch zu transportieren – allein deshalb sollte man sich auf den Weg machen und seine neue Idee konsumieren: Seine Gedanken sind vielschichtig und durchaus interessant, auch wenn seine Art zu Denken nicht jedem gefällt oder zusagt.

Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Der Nachspann ist mit reichlich „Strichzeichnungen“ versehen, die das Sitzenbleiben jetzt aber nicht zwingend rechtfertigen – ihr dürft also gerne diskutieren oder den Saal gemütlich verlassen.

Kinostart: 09. Februar 2023

Original Title: Knock at the Cabin
Length: 102 Min.
Rated: FSK 16

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