Juni 6, 2023

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Leander Haußmanns Stasikomödie

Leander Haußmanns Stasikomödie - Filmplakat
© 2022 Constantin Film Verleih GmbH

Reden wir mal über ein paar Grundsätzlichkeiten. Demokratie. Diktatur. Herrschaftsformen, die beide auf unserem Planeten momentan existieren und die im globalen Weltgeschehen immer wieder hart aufeinander treffen.

Die USA stehen als „Weltpolizei“ als größter und stärkster Vertreter der Demokratie auf dem Plan, die diese aber wiederum durch „politischen Schwanzvergleich“ mit Atomwaffen und starker Heereskraft verteidigen, was man deshalb auch als „diktatorisch“ bezeichnen könnte, denn auch Arschlöcher wie Putin drohen mit atomaren Schlägen gegen den Rest der Welt, wenn sie sich seinem diktatorischen Willen nicht unterwerfen.

Hier prallen Welten aufeinander, die wiederum dann bildverzerrt werden, wenn sich „besorgte Bürger“ darüber echauffieren, dass die moderne Staatsform eine Diktatur unter dem Deckmantel der Demokratie sei und man dem Volk seinen Willen aufzwingen will, indem man z.B. coronapolitische Beschlüsse erlässt und teilweise durchsetzt.

Fakt: Würden wir nicht in einer Demokratie leben, hätte ich wohl kaum die Gelegenheit, einen Artikel wie diesen zu verfassen, zu veröffentlichen und anschließend noch frei aus dem Haus und meiner Arbeit nachzugehen oder mich vergnüglich in einen ICE zu hocken und irgendwo an den Strand zu fahren, um einen meiner freien Tage zu genießen.

Genau diese Umstände kennen viele Deutsche nämlich auch: Nichts sagen zu dürfen, öffentlich nicht auffallen zu dürfen, ohne dabei ihre Freiheit oder gar ihr Leben zu riskieren, weil sie es sich mit der „diktierenden Macht“ nicht verscherzen dürfen, obwohl sie gänzlich andere Glaubenssätze verfolgen oder eben Gedanken haben, die sich nicht mit der Schnittmenge der regierenden Partei überschneiden.

Dieses Kapitel trägt noch bis heute Früchte. Ich selbst habe auf diversen Filmpremieren teilgenommen und Politiker reden gehört, denen man den Hass in ihren Worten nicht nur unterschwellig angemerkt hat, sondern die diesen verbal unter die Leute geschleudert haben und vom umliegenden „Volk“ dafür beklatscht wurden. Die Grenze zwischen „Ost“ und „West“ ist immer noch existent – dafür reicht allein ein einziger Blick in die Rentenbescheide der jeweiligen Bundesländer.

Was für eine schwarze Zeit. Bis jetzt gab es viele Filme zu diesem Thema, die immer wieder mit den gleichen Elementen spielten und sich der Sache bis hin zur cineastisch höchsten Liga angenommen haben – allen voran mit Florian Henckel von Donnersmarck, der mit seinen Inhalten sogar den Sprung nach Hollywood auf den roten Teppich der Academy Awards geschafft hat.

Und nun? Gibt’s einen weiteren Player in diesem Feld, der ein von der Filmjury mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichneten Film unter die Leute bringt: Leander Haußmann.

Hier sind gleich einige Dinge, die auch ich gerne lobend erwähnen möchte. Haußmann spricht in einem Interview davon, dass es extrem schwierig war, einen Finanzierungspartner zu finden, der sich auf dieses Projekt einlässt, weil die Erfolgsgarantie quasi zu dem Zeitpunkt nicht existent ist. Stasikomödie ist kein Film, den es in dieser Form schon einmal gegeben hat, es ist kein zweiter oder dritter Teil, kein Remake, keine Adaption einer anderen Serie aus den USA, die dort mega erfolgreich war … es ist einfach eine völlig neue Schöpfung und somit der gewagte Sprung ins kalte Wasser, mit dem man finanziell natürlich auch mächtig auf die Schnauze fliegen kann.

Ihr braucht euch selbst nur einmal umzuschauen, wie wenige weitere Beispiele dieser Art auf dem Filmmarkt aktuell existieren: Alles ist irgendwo Remake, computerspielbasiert, die x-te Fortsetzung von irgendwas oder kommt als Serie neu, kriegt dann wieder einen Kinofilm … wir erzählen uns quasi seit gefühlt Jahrzehnten immer wieder die gleichen Stories nur mit anderen Gesichtern oder anderen Interpretationen, aber eben immer auf dem „schön alles abgesichert“-Feld, in dem man ja kein Risiko eingeht.

Haußmann geht dieses Risiko nun wahrhaftig ein und spricht auch davon, dass Lob, Kritik, Hass und Missgunst bitte zuerst an seine Adresse gerichtet sein möge, da er allein für das Schaffen dieses Werkes gradesteht und es quasi auf eigene Faust verbockt hat.

In punkto „Deutscher Film“ ist dies ein großartiger Schritt hin zur cineastischen Freiheit, denn endlich traut sich mal wieder jemand etwas, das nichts mit Hitler zu tun hat (zwar auch noch in einer dieser dunklen Kapitel unseres Landes spielt), aber eben so völlig neu ist … denn „Stasi“ und „Komödie“ ist zuallererst mal weird im gleichen Atemzug genannt zu werden.

Und dennoch: Der Film ballert rein! Es ist unentwegt lustig, er macht sich über die „Ernsthaftigkeit“ dieses lächerlichen Regimes lustig und verhöhnt damit nicht die Opfer dieser Zeit, sondern arbeitet dieses Thema eher geschichtlich modern auf eine super verdauliche und vergnügliche Form auf, liefert dabei aber immer wieder genügend Anlässe, um beispielsweise im Rahmen schulischer Veranstaltungen über diese Themen zu sprechen und den Ernst der Lage dahinter zu ergründen, ohne dabei die gelangweilten „Geschichtslehrer“-Gesichter der Kinder vor sich zu haben.

Man kann lachen, man fühlt sich beflügelt, super gut unterhalten und dennoch als Leidtragender dieser Zeit (meine Eltern sind damals auch mit dem Auto auf der Autobahn gefahren, um einfach mal ungestört miteinander reden zu können, ohne die Angst, vom Staat abgehört zu werden) nicht vor den Kopf gestoßen.

Insofern hat man in allen Punkten endlich mal alles richtig gemacht und ein Werk auf den Filmmarkt geschmissen, mit dem wir uns auch international endlich wieder mal brüskieren dürfen, denn das hier ist wahrlich richtig richtig gut.

Darsteller auf der Weltpremiere von Leander Haußmanns Stasikomödie in Berlin
© 2022 Constantin Film Verleih GmbH
Darsteller auf der Weltpremiere von Leander Haußmanns Stasikomödie in Berlin
© 2022 Constantin Film Verleih GmbH

.kinoticket-Empfehlung: Sensationell: Endlich traut sich mal jemand – dazu noch vom Deutschen Film – etwas nie dagewesenes und drückt das Projekt bis hin zur finalen Version auf der Kinoleinwand wirklich durch: Es ist spaßig, es ist neu, es verkennt nicht den Ernst der Lage und liefert eine völlig neue Möglichkeit, mit den Dingen der Vergangenheit aufzuräumen und sie einmal mehr zu verarbeiten und zeitgleich ein historisches Mahnmal zu sein, damit diese Dinge nicht in Vergessenheit geraten. Geht rein – ihr werdet amüsiert sein!

Nachspann: 🔘⚪️⚪️ | Anfangs darf man noch sitzen bleiben, danach folgt nichts weiter.

Kinostart: 19. Mai 2022

Original Title: Stasikomödie
Length: 116 Min.
Rated: FSK 12

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