April 1, 2023

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Meine Stunden mit Leo

Meine Stunden mit Leo - Filmplakat
© 2022 Wild Bunch Germany

Es ist der Film der Stunde, über den alle reden und der in jedem Magazin und Film-Blog derzeit auseinander genommen wird: Seine Premiere feierte er bereits beim Sundance Film Festival und auch in den Sneak Previews wurde er inzwischen gezeigt.

Emma Thompson gilt seit jeher als begabte Schauspielerin und liefert mit diesem Werk einen in meinen Augen fast schon Höhepunkt ihrer schauspielerischen Karriere ab, der zu Recht mit Preisen ausgezeichnet wurde und diese Aufmerksamkeit definitiv verdient.

Das Können dieses Films obliegt diesmal aber nicht nur den schauspielerischen Talenten, denen sich Daryl McCormack gerne ebenfalls zurechnen darf, sondern auch der Arbeit hinter der Kamera – insbesondere des Drehbuchs.

Ich weiß aktuell noch nicht, wie das gemeine Publikum auf eine Geschichte wie diese reagieren wird, und habe nur Reaktionen aus dem elitären Feuilleton-Publikum sowie den sowieso künstlerisch zugetanen Personenkreisen. Selbstredend wird hier eine Arbeit wie diese in höchsten Tönen gelobt, da man sich mitten in dem wiederfindet, was man sonst aus hochkarätigen Theaterstücken kennt: immens gut geschriebenem Material, das vor allem dialoglastig und inhaltsreich ist.

Genau dieser Punkt zieht auch im Kino und überzeugt die Zuschauer vor den Leinwänden gleichermaßen: Meine Stunden mit Leo liefert etwas, das von den theaterfreundlichen Personen in der aktuellen Zeit den großen Blockbustern immer als fehlend nachgesagt wird: Inhalt und Dialogtiefe.

Man könnte während des Streifens fast meinen, man säße in einem Kammerspiel-Theater und all die Szenen würden sich im Kopf abspielen, nur dass der Film hier mit gezeigter Handlung immer wieder noch eins oben drauf legt, was den Zuschauer nur umso mehr begeistert.

Tatsächlich ist es enorm erstaunenswert, mit wie viel Klasse und Niveau man sich so einem Thema nähern kann, ohne dabei die Würde und Verletzlichkeit einer Person herunterzuspielen oder auch nur im Ansatz zu missachten. Nach den unzähligen Versuchen und missglückten Beispielen in der Filmgeschichte bisher liefert dieser Titel nun endlich den Gegenbeweis: man kann sich über das Thema Sex unterhalten und dieses auch zelebrieren, ohne dabei unter die Gürtellinie abrutschen zu müssen. Und glaubt mir: es tut unfassbar gut und macht zudem auch richtig Spaß.

Ich persönlich glaube, dass sich nach dieser pandemischen Phase sehr viele Menschen in den Charakteren wiederfinden werden. Dieses Entdecken, der Drang nach draußen, der Wunsch nach Abenteuer ist allgegenwärtig präsent. Nirgendwo wurde bisher schöner, ehrlicher und intensiver die Verletzlichkeit einer Persönlichkeit gezeichnet und dargestellt.

Dass dabei eine Intensivität entsteht, die den Zuschauer extrem nah an das Innere der Protagonisten heranführt, gibt dem Film eine Seele und macht ihn zu einem liebenswürdigen Stück Filmgeschichte unserer Zeit.

Ein kleiner Tipp noch am Schluss: Schaut nicht den Trailer, und falls ihr das doch schon getan haben solltet, verlasst euch nicht auf dessen Inhalte, denn die vermitteln keineswegs die Zärtlichkeit und Behutsamkeit der Erzählung, die der Film inne hat.

.kinoticket-Empfehlung: Ein extrem sehenswertes Stück Filmgeschichte, das ein hochsensibles Thema zur Aufgabe hat und das Kunststück dabei vollbringt, in den verletzlichsten Momenten des Lebens die Würde einer jeden einzelnen Person zu schätzen und zu wahren.

Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Aufstehen erlaubt, hier folgt nichts weiter.

Kinostart: 14. Juli 2022

Original Title: Good Luck to You, Leo Grande
Length: 97 Min.
Rated: FSK 12

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