
Guilty: Ich bin genau das richtige Publikum – und es ist genau der richtige Zeitpunkt, um diesen Film auf die Menschheit loszulassen: Die Devastation-Rasse lechzt nach dessen Inhalt.
Mal zugegeben: In den letzten Monaten und Jahren haben wir alle unser psychisches Limit ausgereizt, ausgeweitet, Grenzen überschritten, neue Kräfte entdeckt und diese wieder ausgereizt: Aus den üblichen, hochauflösenden Samstagabend-Glamour-Shows wurden auf einmal billige, verpixelte Skype-Internetverbindung-ist-kacke-Klötzchenbaustein-TV-Abende, bei denen nur noch das Senderlogo in UHD war und man sich im Laufe des Wahnsinns dann an jede noch so desaströs zusammengewichste Scheiße auf Insta-Story-Niveau gewöhnt hat.
Es war sooo überfällig, dass der Godfather of Zerstörungswut endlich wieder ein paar Milliönchen in die Hand nimmt und sie ein paar CGI-Architekten in die Hosentaschen stopft, um seine Devastation-Affinitäten erneut auf die Leinwand zu knallen und die zerstörungshungrige und action-sehnsüchtige Kinonische endlich wieder zu befriedigen.
Und ja – wer Emmerich hört, hat sofort sein Lebenswerk im Kopf: Independence Day, Godzilla, The Day after Tomorrow, 2012: Blockbuster, in denen man die Welt untergehen lässt.
Das jetzt alles einfach nochmal zu wiederholen, wäre langweilig – aber genau das, was der typische Emmerich-Kinozuschauer erwartet. Und dieser Kerl gehört zu denen, die sich und ihrem quasi selbst erschaffenen Genre treu bleiben: Er liefert ab!
Diesmal sind dabei allerdings einige Dinge anders. Ja, es gibt sie immer noch .. und wenn man durchs Internet stumbled, trifft man auf so viele Kritiken, die den Verruf des Drehbuchs heiligen und immer noch nicht kapiert haben, dass in solchen Filmen kein intelligentes Skript von Nöten ist, um den Zuschauer einfach mal selig ein einstürzendes Gebäude mit Krach und Krawumm abfeiern zu lassen, während der Zucker vom Popcorn auf der Zunge schmilzt und sich auch da die Welten kalorisch nach unten verschieben.
Drum hier nochmal in aller Liebe: Auf’s Drehbuch ist geschissen. Ja, die „typische Suppe an immergleichem Charakter-Mist, der jeden Weltuntergangsfilm ziert“ ist auch hier wieder zu finden – und genauso leicht zu ignorieren.
Das faszinierende am Film ist nämlich nicht die persönliche Entwicklung irgendeines abgehalfterten Hauptdarstellers, sondern die Technik. Das Überirdische. Die Wucht des Aufpralls eines Mondes auf einen Planeten und die psychologische Unterlegenheit und Hilflosigkeit. Manch einer mag da vielleicht Parallelen zu gewissen Dingen entdecken – und da trifft Emmerich einen Nerv.
Desweiteren ziert diesen Film extrem viel Authentizismus: Nicht umsonst ist Space Shuttle Berater Bjarni Tryggvason in seiner ersten Rolle als filmischer Kurator der Handlungen im Space zugegen gewesen, der das Team insofern eingeweiht hat, dass sie in Raumschiffen nicht einfach „Und das Äffchen drückt das Knöpfchen“ spielen, sondern die wirklichen Elemente bedienen, die ihnen von der NASA zur Verfügung gestellt wurden und auf denen vorher echte Astronauten rumgehämmert haben. Alles, was im Film diesbezüglich zu sehen ist, ist also echt.
Auch das Briefing der Verantwortlichen vor dem Schreiben des Drehbuchs ist überdeutlich in der Story eingemeißelt: Man spürt richtig, wie sich alle intensiv und ernsthaft damit auseinandergesetzt haben, was passieren würde, wenn .. und diese Dinge dann so transformiert haben, dass sie mit dem Kosmos des Kinosaals übereinstimmen und man sich als Zuschauer absolut abgeholt und entertaint fühlt.
Dazu kommt die nächste Macke: Weltraum. Oh, was bin ich empfänglich für so etwas … fremde Welten, andere Planeten, irgendein übergeordneter Mist, den wir Menschen auf Erden nicht steuern können und der uns haushoch überlegen ist: Boum – auch hier mega ins Schwarze getroffen. Allein die Einfälle, welche Auswirkungen das auf den Planeten und uns Menschen haben könnte, wie es dann visuell umgesetzt wurde (und damit meine ich jetzt nicht das „… und wir haben nochmal 1,2 Milliarden in der CGI versenkt“) – mit welchem Boost man sich hier daran macht, die Erde nicht mit einer gewaltigen Explosion, sondern mit Fingerspitzengefühl explodieren zu lassen – herausragend und den Wünschen der Nische absolut entsprechend.
Und da kommt dann schon wieder das Gejammer ums Eck, dass es „nicht wieder so toll ist wie in Independence Day… blablabla“ – oh, danke dafür … und zwar an Emmerich, der eben nicht die dröge Wiederholungskeule ausgepackt hat, denn das hatten wir ja alles längst und brauchen es nicht nochmal sehen, dafür haben wir ja alle Independence Day in UHD im Regal stehen. Nein, die Schöpfer konzentrieren sich darauf, etwas anderes zu bieten, das der Zuschauer eben noch nicht gesehen hat und nicht schon wieder die selbe, emotionale Tal- und Bergfahrt durchzukauen.
Jetzt gilt es nur noch eines zu beachten: Ich habe den Film bereits vor Kinostart in unterschiedlichen Sälen mehrfach gesehen und kann daher aus persönlicher Erfahrung sagen => Der Saal sollte IMAX-Qualität haben: Groß groß groß! Und zwar, was Leinwand und auch den Ton angeht.
München bietet hierfür beispielsweise das mK6 im Mathäser, in Augsburg würde ich Saal 1 im CinemaxX empfehlen, in nordischen Gefilden wäre das z.B. Saal 7 im CinemaxX in Halle (Saale) oder das absolute Oberkriterium: Saal 1 im CinemaxX in Hamburg-Dammtor, welcher diese Kriterien erfüllt. Ansonsten kann man schon Richtung Speyer oder Berlin schielen, wo sich dann das nächste IMAX befindet. Wenn die Säle kleiner sind („Och, das geht schon“…), dann geht das eben nicht. Dieser Film lebt einzig und allein von Soundbrachialität und einer überdimensional großen Leinwand (Stichwort: Setzt euch einfach weiter vor – am besten ins erste Drittel des Saales) – und dann kommt das rüber, was sich der Regisseur dabei gedacht hat.
Und nochmal: Es geht nicht um die Story, eine Handlung oder irgendeinen anderen Bullshit, sondern einzig und allein um Sound und mega große Leinwände.
Erfüllt ihr diese beiden Bedingungen, dann ist das der geilste Film dieses Jahres bisher, der euch in Erstaunen versetzt und es mächtig mächtig krachen lässt. TV-Ausstrahlung oder später im Streaming? Vergesst es – da ist der Film dann einfach nur noch scheiße. Da werden so Übersetzungs-Krücken wie „Da kommt eine gewaltige Schwerewelle auf euch zu“ dann nämlich auf einmal so präsent, dass sie viel mehr weh tun, als im Kino, wo das darauf folgende Action-Szenario solche Patzer wieder wett macht.
Und btw: „Gravity wave“ ist keine Schwerewelle, sondern wenn schon, dann eine Schwerkraft-Welle. Wer’s also so richtig NASA-Houston-Weltall-Geil haben will: Geht in die OV-/OmU-Version, die liefert das beste Ergebnis!
.kinoticket-Empfehlung: Dieser Film lebt einzig und allein von Größe, noch größer, Überdimensional! Und damit meine ich die technische Ausstattung des Kinos, in dem du dir diesen Streifen anschauen solltest: Mega riesige Leinwand, weit vor setzen und Boxen, die den Staub vom Tisch in den Wohnungen fünf Straßen weiter wehen – alles andere hat keinen Zweck und wäre rausgeschmissenes Geld.
Streaming oder im TV anschauen, wenn’s soweit ist? Da ist das dann einfach nur noch kagge … also schaut ihn im Kino und lasst Emmerich genau das tun, was er gut kann: Die Welt untergehen lassen … diesmal mit extrem viel Fingerspitzengefühl.
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Braucht man nicht abzuwarten (abgesehen von dem absolut obercoolen Liedchen), hier folgt nichts weiter.
Kinostart: 10. Februar 2022
Original Title: Moonfall
Length: 126 Min.
Rated: FSK 12
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