
Wenn uns die Pandemie eines gelehrt hat, dann, dass man im Leben besser fährt, wenn man seine Ansprüche vorneweg gehörig runterschraubt und dann lieber sieht, was auf einen zukommt und damit zufrieden ist.
Im Fall von Morbius fällt mir das persönlich extrem schwer: Schon der Trailer hat verlautbaren lassen, dass das ein Griff ins Klo wird: Sony hat sich im Vorfeld schon mit beiden Venom-Filmen schwer getan, an den Erfolg von Marvel anzuknüpfen und etwas wirklich begeisterungsfähiges zu etablieren.
Sieht man von der Spider-Man-Erfolgsglückssträhne einmal ab (die ich in dem Fall eher dem Charakter sowie den Darstellern verbuchen würde und weniger den Kreativen bei Sony), dann hat sich dieser Verleih schon immer mit Comic-Verfilmungen schwer getan und war irgendwie beim Wort „Kinoerfolg“ immer grad auf dem Klo.
Als Kinosüchtiger ließ es sich in den vergangenen Wochen kaum vermeiden, einen Morbius-Trailer auf der Leinwand vor den Latz geknallt zu kriegen – und der löste bei uns Leinwandfans ziemliche Diskussionen aus: Was müsste alles passieren, damit uns dieser Film doch catcht?
Ein Argument war: Man müsste das Rendering endlich fertigstellen und aus dem „ersten Entwurf“ raus, denn die Optik der Monstren erinnert vielmehr an einen schlechten C-Movie der 90er Jahre als an technisch bewandertes Kino der Moderne. Wer sich also an die SchleFaZ-Filme von Tele 5 gewöhnt hat, kann nun einen Meilenstein dieser Kultur auf der großen Leinwand bewundern, für den man definitiv wesentlich mehr Kohle hat springen lassen.
Ein weiteres Argument: Die Dialoge sind schrott. Im Deutschen lieblos umgesetzt (okay, das kennen wir inzwischen), aber auch im Original alles andere als eines Superheldenmovies würdig. Irgendwie entbehrt es jedweder Würde, sobald einer der Darsteller den Mund aufmacht und anfängt zu sprechen.
Hier müsste man also gravierende Änderungen Zoomania-like vornehmen – und zwar in die positive Richtung, so dass dieser Film noch mit Inhalten punkten könnte.
Dann sitzt man vor einigen Tagen in der Pressevorführung, kriegt ne OV vorgesetzt (damit wäre das miese Deutsch weg und die bestmögliche Version auf der Leinwand zu sehen) und ist einfach nur wahnsinnig enttäuscht.
Klar, wir sind inzwischen alle von den Marvel-Originalen verwöhnt, also den Filmen, in denen Marvel allein das Sagen hat und keiner „powered by Marvel“ etwas nur vermarktet, weil er die Anwendungsrechte an den Charakteren hat. Aber ist das wirklich ein Grund, den Film hier so elegant mies hinzukriegen?
Ein weiteres Zeichen für einen wirklich schlechten Film war das extrem kurz gehaltene Embargo: Wenn man wirklich stolz ist und so selbstbewusst, nichts zu befürchten zu haben, wären einem solche Dinge egal und ein Embargo höchstens noch aus PR-social-media-Algorythmus-Gründen notwendig, das kann dann aber auch durchaus etwas länger ausfallen…
Nächster Punkt, der mir unglaubliche Bauchschmerzen bereitet: FSK 12. Wir wollen einen Horror-Vampirfilm mit FSK 12? Jeder, der in seinem Leben schon einen einzigen Film gesehen hat, weiß sofort, dass das eigentlich nur dümmliche Grütze werden kann. Sucht euch entweder ein anderes Thema und holt dazu die Massen in die Säle, oder macht es richtig und lasst nur FSK 18 durch die Eingangstore.
Diesen Wunsch nach mehr Publikum und niedrigerer Freigabe zahlt man oft mit Kompromissen auf Kosten der Glaubwürdigkeit und Eleganz: Je lächerlicher man ein Monstrum, etwas Blut oder ähnliches gestaltet, desto besser kann man mit „Die 6jährigen in Begleitung verstehen schon, dass das nur Fiktion ist, weils ja so schlecht gemacht ist“ argumentieren – was mich zu meiner nächsten Bauchschmerz-Kritik führt: Möchte ich wirklich, dass ein 6jähriges Kind in Begleitung gesetzlich abgesegnet solche Bilder verinnerlicht und danach noch mit einer heilen Psyche aufwächst?
Meine große Schwester hat immer noch Alpträume und psychologische Ängste (und die ist inzwischen super erwachsen), weil sie als Kind mal eine Szene mit einem brennenden Haus im Fernsehen gesehen hat. Was passiert mit Kids, die sich solche Zerfetz-Aktionen und klaustrophobisch-düsteren Elemente im Kino bestaunen und nicht direkt während dem Film zum Psychologen rennen können? Psychische Abstumpfung, abgesegnet von der FSK?
Okay, ich heul hier schon wieder zu viel – also kommen wir mal zu den guten Punkten: Die Optik des Films – das düstere Leben dieser Stadt, die neonfarbene Beleuchtung der Hochhäuser und die Szenerien über den Dächern sind wunderbar. Auch bei den Animationen der Superheldenfähigkeiten hat man sich enorme Mühe gegeben und wirklich grafisch einwandfreie Arbeit geleistet. Die wird halt immer nur durch die absolut mies gerenderte Version von Morbius selbst wieder zerstört.
Und dann der Sound: Der schafft Atmosphäre, sorgt für prominentes, sackendes, schweres Dominanzgefühl und zählt für mich zu den Höhepunkten dieses Films: Schaut man sich den Film also in mexikanisch an (damit man kein Wort von den dümmlichen Dialogen versteht) und schließt ab und an mal die Augen (um das Rendering zu vermeiden), sitzt man in einem wirklich guten Film. Die Rahmenbedingungen für einen super powered-by-Marvel-Film wären also gegeben.
Doch sobald die Darsteller anfangen zu sprechen, glaubt man, man säße in einem dieser kitschigen 90er Jahre Horror-B-Movies.
Und da bleibt bei mir dann nur noch eine Frage offen: Warum?
.kinoticket-Empfehlung: Was der Film mit Soundtrack und optischer Stimmung aufbaut, reißt er mit dem miesen Rendering der Monster und den absolut klischeebehafteten Dialogen wieder ein: Unglaublich vorhersehbar, man hat oft das Gefühl, einem schlechten C-Movie der 90er Jahre beizuwohnen, statt einem heroischen Superheldenmovie.
Nachspann: 🔘🔘⚪️ | Nicht gleich aufspringen, es folgen noch zwei Mid-Credits-Szenen.
Kinostart: 31. März 2022
Original Title: Morbius
Length: 105 Min.
Rated: FSK 12
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