Mai 30, 2023

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Servus Papa, See You in Hell

Servus Papa, See You In Hell - Filmplakat
© 2022 Port au Prince Pictures

Wenn ihr das letzte Wort vom Plakat anschaut, wisst ihr schon, welche Empfindungen ich zu diesem Film nun habe. Ganz ehrlich: Der Trailer hat mich schon ein wenig angefixt, weil auch ich es interessant finde, alternative Lebensformen zu betrachten, den Geist mit immer neuen Ideen zu füttern und rauszufinden, ob und wenn ja, wie sich die Menschheit als Ganzes verbessern könnte.

Sich mit dem Status Quo abzufinden und einfach nie etwas zu ändern, bedeutet gleichzeitig, aufgehört zu haben, zu leben. Denn Leben definiert sich durch beständige Veränderung, sobald sich etwas nicht mehr verändert – und sei es nur auf Zellebene, lebt es nicht mehr.

Dass es z.B. immer noch keine „perfekte“ Regierungsform gibt, die wirklich so ist, dass es nichts daran zu kritisieren gäbe (obwohl viele der Meinung sind, die Demokratie wäre jetzt „die beste“… auch da gibt es Tücken und Dinge, die eben nicht super optimal sind) zeugt davon, weshalb es bei einigen dazu kommt, sich einfach selbst eine Lebensform zu erschaffen und zu gestalten.

Daraus resultieren dann Sekten, Zurückgezogenheit, andere Formen des Zusammenlebens, die anfangs auch immer gut gehen und anschließend mit Filmen wie Colonia Dignidad enden. Schlussendlich sind wir nämlich alles nur Menschen und strugglen gemeinsam an den immer selben Schwachstellen: Gier, Hochmut, Machtgeilheit, Unlust Verantwortung zu übernehmen etc. – mische man diese Zutaten gemeinsam in eine „Packung Menschen“ und raus kommt irgendwas, das zum Scheitern verurteilt ist.

Yo. All das ist Wissen, das eigentlich inzwischen jeder hat. Ob Scientology, Zeugen Jehovas, Katholische Kirche, Ku Klux Klan und wie sie alle heißen mögen: Alternatives Geraffel ist bis jetzt immer mies gewesen, weil einige Wenige einer großen Masse durch ihren selbsternannten Einfluss massiv schaden konnten und es hinterher körperliche und vor allem seelisch-therapeutische Höllen gab, die dann wiederum ein Großteil der Betroffenen kaum aufarbeiten konnte.

Und darum finde ich es grundlegend extrem gut, wenn die Leinwand zum „General-Therapeut“ wird und es von hier dann „Wir sehen euch.“ „Wir hören euch.“ „Wir haben euer Schreien verstanden und fangen an, für eure Gerechtigkeit zu kämpfen“ runter regnet.

Spotlight hat das z.B. in großartiger Weise für die sexuell Geschundenen der katholischen Kirche getan, das Weltpublikum an sich gerissen und damit begonnen, die Mächtigen anzuklagen … und es hat grandiose Konsequenzen gegeben: Inzwischen verbindet fast jeder in meinem direkten Umfeld den Term „katholische Kirche“ mit „Kinderficker“ – und das ist gut so, denn es erhöht den Druck auf diese ungebrochene Macht massiv, für diese Greueltaten grade zu stehen und sie aus dem Weg zu räumen und dafür zu büßen.

Die massiven Kirchenaustritte in der Neuzeit tun ihr weiteres und bauen Druck auf (und ich glaube, viele dieser Austritte hängen auch damit zusammen, dass sich das Individuum eben nicht mehr ’sicher‘ und ‚geborgen‘ fühlt und stolz darauf ist, einem Kinderfickerverein anzugehören.

Welch großartige Chance, Servus Papa, See you in Hell zu machen und einer weiteren dieser Kommunen an den Leib zu rücken, um Vergangenes aufzuarbeiten.

Yoah … dann müsstest du ja eigentlich davon begeistert sein, richtig?

Wäre ich gerne. Dieser Film hat so extrem wenig Biss, ist so aussageunkräftig und blass und zeigt irgendwie nichts, was man nicht eh schon wüsste oder liefert eindrucksvolle Szenen, die einem so dermaßen im Gedächtnis hängen bleiben, dass es die Meute dazu reißt, aufzustehen und Gerechtigkeit zu üben, sondern er ist halt einfach blass und kraftlos.

Die Schausteller spacken zwar gut ab, bringen das Bild dieses Alternativismus extrem gut rüber und man schwankt dabei immer zwischen „Werbung für unsere Sache“ und „Hä? Wie jetzt? Echt? Eben hast du doch noch …. ganz ehrlich?“ und bevor man dann so richtig dabei ist, ne Kritik zu empfinden, oder gar wütend wird deshalb, taucht wieder „Werbung für unsere Sache“ auf… und da krieg ich dann das große Kotzen.

Vielleicht ist ja das Pressematerial dazu aufschlussreicher und man findet irgendwo in den Interviews mit Darstellern oder Regisseur und Crew etwas, das den Film wieder aus einem anderen Blickwinkel heraus beleuchten kann und seine Grundeinstellung dazu ändert… aber auch hier: Nope.

„Basiert auf den Erinnerungen von…“ und ist jetzt halt auch wie so nen häuslicher Oma-Muff-Erzähl-Nachmittag mit Kuchen, der viel zu trocken und alt ist, dazu müffeligen Kaffee, bei dem man auch froh ist, wenn man endlich wieder Sonnenlicht erblickt und seine eigene Welt ergründen und erforschen kann.

Ganz ehrlich: Bevor ich mir dann hier so eine – entschuldigt – Scheiße reinziehe, dann gehe ich mir lieber noch mal den letzten Teil von Transformers anschauen, der ist zwar mies, aber man hat wenigstens optische und akustische Momente des Glücks im Kino.

.kinoticket-Empfehlung: Paradebeispiel für „Wie verkacke ich ein eigentlich extrem wichtiges Thema für das viele Menschen im Kollektiv nach Gerechtigkeit schreien… Es hat inzwischen viele gute solcher Werke gegeben, aber keines war bisher so kraftlos und blass, wie dieser Film. Schade.

Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Lohnt sich nun auch nicht mehr … ihr dürft also wieder raus gehen.

Kinostart: 24. November 2022

Original Title: Servus Papa, See You in Hell
Length: 116 Min.
Rated: FSK 16

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