
Ein Titel, nach dem ich in letzter Zeit tatsächlich öfters gefragt werde – und bevor ihr anfangt zu nerven, gibt’s die Kritik dazu 😀
Meinen Zwiespalt zu Netflix und anderen VoD-Portalen im Vergleich zu Kino kennt ihr: In meinen Augen gibt es NICHTS, dass Kino gleich kommt. Viele Titel erleben überhaupt erst ihre Geburt dadurch, dass man sie tatsächlich auf einer großen Leinwand sieht.
Kürzlich noch habe ich (weil die jetzt auch wieder auf die Leinwände gebracht werden) mit einem über die Der Hobbit-Trilogie gesprochen und er meinte, dass die im Vergleich zu den Herr der Ringe-Teilen extrem langweilig und lahmarschig wären und man nichts verpasst hätte, wenn man die nicht kennt.
Ich hab mir tatsächlich die Mühe gemacht und mir das Ding auf der Leinwand reingezogen und kann seine Aussage damit herrschaftlich dementieren: Genau das ist das Problem mit illegalen Videoportalen, komischen Streaming-Anbietern … und eben auch Netflix: Die Qualität und das gebührende Umfeld für die Entwicklung und Entfaltung einer großartig erzählten Geschichte ist nirgendwo so gegeben wie in einem Kinosaal. Diskussionsfrei.
Ich weiß nämlich, dass dieser jemand sehr gerne Filme streamt und sehr wenig ins Kino geht – und bin immer wieder überrascht, wie schlecht man manche Werke dann einschätzt, wenn sie auf einem 22 Zoll-Monitor geschaut werden.
Nun kam Netflix aber mit einer ziemlich ausgefuchsten Idee daher: Die haben unfassbar viel Geld gesammelt und ziemlich wenig Mitspracherecht dazu gebündelt, sondern den Leuten die Kohle in die Hand gedrückt und gesagt: Macht mal, wir bringen das dann schon raus. Ergebnis? Unglaublich kreative, neue, frische Luft auf den Displays, weil die ganzen Independent-Fanatiker nun endlich eine Plattform (und die nötigen Mittel) in der Hand hielten, um ihre Geistesblitze Realität werden zu lassen. Und dafür hab ich Netflix tatsächlich geliebt.
Die Medienmogul-Macht Hollywoods schien gebrochen und man konnte sich an immer toll umgesetzten, neuen Machwerken erfreuen, die das konservative Bild des klassischen Films vehement durchbrochen haben und somit eine völlig neue Coolness erschaffen wurde, die auch ich tatsächlich regelmäßig vergöttere.
The Old Guard liefert nun ein komplett anderes Bild. Inzwischen hat man bei Apple TV+ z.B. auch begriffen, dass Inhalte her müssen, die über den Tellerrand solcher Nischenbildungen hinaus gehen und investiert wieder unglaubliche Summen, um hochkarätigen Cast an Land zu ziehen, mit dem man die gewünschten Umsätze generieren kann. Dies tut nun auch Netflix – und ich hatte von Anfang an das Gefühl, man wirbt nicht mehr mit geilen Inhalten, sondern viel mehr mit Charlize Theron – und das meine ich völlig unpersönlich. Ich mag die Frau und habe viele Filme mit ihr sogar in meiner Filmsammlung, jedoch hatte ich beim Sichten von The Old Guard das Gefühl, Netflix opfert seine Genialität zugunsten von „Na, wir haben jetzt ja Prominenz, dann brauchen wir uns nicht mehr anstrengen.“
Und dieser Schuss könnte der Anfang vom Ende sein und einen Krieg auf die Plane rufen, der am Ende wieder Einheitsbrei und Langeweile bedeutet: Niemand braucht ein zweites Hollywood.
Dabei sind die Idee und Ansätze des Drehbuchs nämlich durchaus brauchbar und liefern Hoffnungen auf eine weitere, großartige Geschichte: Die ist aber ziemlich schnell begriffen und bietet für Vielschauer wie meiner einer keine Wow-Momente, die einen tatsächlich vom Hocker hauen, sondern zieht sich halt mehr schlecht als recht durch die Laufzeit, um am Ende – ganz hollywoodlike – auf eben jene Vorahnungen hinauszulaufen, wie man es bereits aus dem klassischen Kino kennt. Und genau das macht mir an dieser Stelle tatsächlich Angst, denn ich hätte mir die Entwicklung genau andersherum gewünscht: Dass Netflix seine Vormachtstellung und Ressourcen nutzt, um im Kino den Wind wieder etwas aufzufrischen und die bislang grandiosen Titel dann auch auf die Big Screens bringt.
Man hat irgendwie das Gefühl, durch die vorhandene Prominenz büßt Netflix das Vorrecht auf Geilheit ein wenig ein und meint, sich nicht mehr richtig anstrengen zu müssen. Idee und Konzept gut, aber so richtig zündet man damit nicht.
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Kann man gleich weiter klicken, hier folgt nichts weiter.
Streaming auf Netflix: 10. Juli 2020
Original Title: The Old Guard
Length: 125 Min.
Rated: FSK 16
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