Mai 29, 2023

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The Outpost – Überleben ist alles

The Outpost - Überleben ist alles - Filmplakat
© 2020 Telepool

First things first: Lass uns mal ein paar Dinge grundlegend klassifizieren, damit es hier zu keinen dümmlichen Diskussionen kommt.

Es gab mal eine Zeit (meine Kindheit), da waren auf der Leinwand Freiheiten vorhanden, die es im regulären Leben niemals gegeben hätte: Dass kleine Kinder z.B. großen Kriegsaktionen zuschauen dürfen (Nachrichten) oder dass man Menschen in Stücke säbelt (Horrorfilme), oder dass man dumme Ideen mit einem seriösen Touch als künstlerischen Erfolg auf die Leinwand bringt und es öffentlich gewürdigt und mit Preisen übersät wird … Damals war es noch ein niemals Wahrheit werdender Traum, darüber nachzudenken, dass man „großartige Monsterreihen“ mal gegeneinander antreten lässt.

„Uhhhh geil, Predator kämpft gegen Alien – was ist das für eine filmische Ehre und was für ein Meilenstein in der Geschichte… wuuuuhhh“

Inzwischen ist alles passiert. Die „shocking moments“, wenn man nach einem Film Marke „unbelievable“ dann „basierend auf wahren Begebenheiten“ gelesen hat, sind längst Geschichte und ziehen heute niemanden mehr hinter dem Sofa vor den Bildschirm.

Durch die immense Vielfalt und das schiere Überangebot an Filmmaterial und „Geschichten“, die im Verlaufe der Jahre wieder und wieder runtergerattert werden, fing man auch ganz unverblümt und unbemerkt an, sich mit den Dingen einfach abzufinden. War es damals noch gravierend, wenn die Dorfschänke die Öffnungszeiten um 30 Minuten anpasste, würde ein Journalist, der heute solch einen Artikel verfassen würde, wegen Belanglosigkeit wahrscheinlich auf die Straße gesetzt werden.

Natürlich hat man inzwischen auch alle möglichen Schandtaten von „Neeeeeeeeein, das ist die Regieeeeeeeerung, die würde doch NIEEEEEEEEEEMALS sowas zulassen, immerhin werden die von Hunderten von Leuten gesehen, das ist Quatsch, was du da erzählst“ aus allen möglichen Perspektiven auserzählt und mit eindringlichen Movies glaubhaft und zur Genüge dargestellt, so dass auch da ein gewisser Interessensabflau an der Tagesordnung ist, getreu dem Motto: „Nee, das ist zwar exakt die selbe Story wie der andere Film da, AAAAABER der Typ heißt Mave und nicht Conrad!!!!!!111“

Als Kind hab ich immer den Standpunkt vertreten: Lasst auf der Leinwand passieren, was immer ihr möchtet – genau das ist eure Spielwiese, bei der niemand irgendeinen Schaden erleidet, sondern alles fiktiv, alles machbar und selbst die absurdesten Fantasien und Gedankenausflüchte kann man dort völlig schadenfrei ausleben.

Wer also gern mal einen Menschen zerstückeln will: Rein in die Movies, anschauen, wie sie der Reihe nach wie die Fliegen niedergemetzelt werden, dann wieder rausgehen, brav seine Limo austrinken und ab ins Bett.

Passt – und funktioniert perfekt.

Inzwischen … ja, inzwischen sind wir im Kollektiv bei so ziemlich jeder Abnormität aus dem Alltag eines ganzen unüberschaubaren Planeten mit Livestream dabei und daher übersättigt von „Millionen von Leichen“ und die üblichen Mahnmähler von Kriegsfilmen verfehlen inzwischen vollständig ihre Wirkung.

Unter politischen, ethischen oder belehrenden Aspekten also inzwischen ein völlig nutzloses Genre, das keinerlei Mehrwert im bildungstechnischen Sinne mehr aufweist, und dennoch kein Griff ins Klo.

Tatsächlich ist The Outpost – Überleben ist alles super ehrlich mit seinem Publikum – und das fängt schon beim Plakat an: Es ist drin, was drauf steht, es wird geliefert, was erwartet wird und die Zuschauer werden bereits nach einer Sekunde auf das Genre vorbereitet, was dafür sorgt, dass hier wirklich nur die Leute rein gehen, die genau so etwas sehen wollen.

Warum mein kranzlanger „Vorspann“ dazu?

Weil hier nämlich dann die „Wertung“ keine Rolle mehr spielt. Man muss diesen Film nicht mehr unter political correctness oder ethischen Standpunkten bewerten und sich dann darüber aufregen, wie heroisch patriotisch diese „meist ausgezeichneten Soldaten“ doch ihren unglaublichen Kampf für das Wohle der Menschheit geleis….. – nein: Es geht um etwas völlig anderes.

Inzwischen ist mir persönlich (der dieses Genre defacto ziemlich liebt) diese schnulzige Moralapostel-Komponente bei solchen Streifen nämlich auch in Galle und Leber übergelaufen und stimmt mich säuerlich, weil so etwas in heutiger Zeit einfach nicht mehr sein muss.

Damals hat man Kriegsfilme gesehen mit Jahreszahlen wie 1979 – und dachte sich (als deppertes Kind): Mei, die haben’s halt nicht besser gewusst, aber nun ist man ja schlauer und würde so etwas Wahnsinniges nie wieder Wirklichkeit werden lassen. Passt – Film, andere Zeit – abgehakt.

Inzwischen lesen wir andere Jahreszahlen, die eben nicht aus düsterer Vergangenheit mit Schrammen am Mittelalter markiert sind, sondern 2009 oder höher ausfallen, und denkt sich: Ähm… Was ist kaputt bei denen, die so etwas beginnen und durchziehen?

Yo, genau das sind die Bilder des Krieges, der euch in den Medien als abendfüllende Unterhaltung mit tageschau-Logo verpackt serviert wurde – und das ist hässlicher Scheiß, den man auch im Nachgang nicht zwingend huldigen muss – wir hätten andere Optionen…. AAAAABER wollten an dieser Stelle ja nicht diskutieren.

Wieso also der Film?

Weil Freunde dieses Genres einfach ne geile Schlacht sehen wollen. Weil man ins Kino geht, um es ordentlich rummsen zu hören, um zu testen, was die alten Bassboxen im hinteren Eck noch alles so drauf haben und zu spüren, dass irgendwie alles eskaliert, bis am Schluss dann alles in Rauch und Flammen aufgeht und man vorher möglichst lange etwas von diesem irrsinnigen Schauspiel genießen konnte.

Und genau das bringt dann die Frage auf: Was ist euch Soldaten das wert? Euer Leben für so einen …. Bullshit … zu riskieren, nur damit wir Idioten hinterher im Kino sitzen und uns von euren toten Kameraden unterhalten lassen können? Muss man dafür heute noch Krieg spielen?

Der Effekt des vernichtenden Schauspiels funktioniert hervorragend, zieht mächtig an, sorgt für selten Langeweile und rummst ordentlich und durch die Bank weg, so dass Freunde dessen tatsächlich auf ihre Kosten kommen.

Der „Moraleffekt“ wird am Schluss jedoch auch geholt – und in meinen Augen völlig übertrieben. Natürlich ist es ganz nett, die wahren, echten Personen vor die Kamera zu holen und ihre echten Gesichter zu zeigen, auch in Kriegsfilmen ist dies eine hohe Würdigung, die durchaus auch funktionieren kann (Stichwort: Clint Eastwood). Hier wird’s jedoch vollständig übertrieben und immer wieder noch einer oben drauf gesetzt, dass man als Zuschauer – ohne oben besagten Anspruch – auf einmal das Gefühl hat, man will einem doch verkaufen, wie geil die Army ist und dass es sich lohnt, dort einzutreten, weil all der Schmerz und die zerbrochenen Seelen am Schluss keine deutliche Sprache sprechen.

Das Ding funktioniert in Amerika, dort haben sie einfach eine völlig andere Grundeinstellung zu solchen Dingen und sind damit im Alltag völlig anders verankert (dort wird der Film auch hoch gelobt und gefeiert), stößt hierzulande aber wieder auf völliges Unverständnis und macht im Prinzip den „Gaudi“ von vorher dann vollständig kaputt.

Und über all diese Dinge muss man mit einem mega dicken Fell hinwegsehen, dann hat man einen großartigen Film, der gut unterhält, der eine wahre Geschichte erzählt (die in Wahrheit eines der größten Fiaskos in der Geschichte der amerikanischen Kriegsführung ist) und der damit extrem mies umgeht, wenn’s um die Aufarbeitung der Geschehnisse geht, um der Sache doch wieder etwas Ernsthaftigkeit abzugewinnen.

Da diese Tatsache wiederum aber diejenigen kaum stören dürfte, die sich aufgrund des Plakats für den Film entscheiden, siegt hier wieder die unverdrossene Ehrlichkeit der Gesamtpackung: Das Konzept geht auf und die Zuschauer des Films dürften zufrieden wieder von dannen ziehen.

Auf dass alle in unserer Realität damit aufhören, solche Kriege weiterhin existieren zu lassen.

Es kracht, es pfeift, es scheppert und unterhält auf einem Niveau, bei dem man nicht werten darf, und bastelt sich am Ende ein paar Fallstricke, indem man doch noch versucht, ernsthaft zu werden – in dieser Kombination nicht wirklich gelungen. Als Genrefilm für Liebhaber von „Guns and Ammo“ allerdings wahnsinnig gutes Fressen, das solche Triebe ausgiebig und perfekt befriedigt.

Nachspann: ??? | Kann man getrost komplett aussitzen, da passiert noch so viel, dass der Text quasi völlig in Vergessenheit gerät.

Kinostart: 17. September 2020

Original Title: The Outpost
Length: 123 Min.
Rated: FSK 16

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