
Was fällt mir als Fotograf und Ästhet sofort ins Auge? Dass das Plakat ein Negativ ist – also die Dinger, auf denen früher unsere Fotos „zwischengespeichert“ wurden, bevor man sie zum Entwickeln brachte. Namen der Schauspieler, die berühmten „Schnittpunkte“ etc. – alles da. Die Plakat-Macher haben also den Filmtitel gehabt und daraus etwas brauchbares gestaltet, was sich deren Meinung nach an „Fotografie“ orientiert.
The Photograph macht als Titel ja auch eigentlich den Anschein, als ob es in dem Film möglicherweise um Fotografie gehen könnte … also jemand, der oder die sich mit Kameras irgendwo rumbewegt und etwas fotografiert, oder sich mit dem Thema auseinandersetzt … oder irgendwas … mit Negativ, Bild, Abzug, aufhängen, Kunst oder dergleichen.
Dass es in dem Film eigentlich gar nicht um Fotografie geht (Titel: The Photograph, Plakat: Foto-Negativ, Filminhalt: was völlig anderes – macht Sinn!) konnte ja keiner ahnen. Wer sich ein wenig in Kritiken verfängt, findet auch hier und da das Wörtchen „Smooth Jazz“, und das führt mich zu einer elitären Eliten-Elite, die sich für so etwas interessieren könnte … und tatsächlich finden sich dafür auch wahnsinnig viele Anzeichen im Film wider.
a) die Protagonisten müssen rein überhaupt nichts tun, um irgendwie ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie sind einfach. „Ich bin, also existiere ich. Stößchen.“ – Klingt nach elitärer Bewegung. Cool.
b) Wenn man genügend Geld hat, sich um existenzielle Dinge einen Scheißdreck scheren muss und zu viel Zeit und Unfug im Schädel hat, dann kommt man ganz schnell in diese Langeweile-Areale, in denen auf einmal völlig andere Dinge wichtig sind: Wer fickt mit wem, wer ist wieder wo mit wem ausgegangen, wer verkehrt mit wem, wer verdient wo wann wieviel Geld … auf Deutsch: tratschen. Auch davon finden wir unfassbar viel in diesem Film wieder.
c) Die Ästhetik. Im Ernst: Schaut euch allein mal den Trailer an und seht dabei genau hin: Das Trägerchen von ihr ist farblich exakt auf das Oberteil von ihm abgestimmt, eine Sekunde später sitzen sie im Restaurant und sind völlig anders gekleidet (macht keinen Sinn, weil es wirklich nur ein harter Schnitt war, aber in solch elitären Kreisen wechselt man natüüüüüürlich die Garderobe vorher), und zwar genau so, dass es auf die Hintergründe und die Pflanzen auf dem Fensterbrett im Bokeh im Restaurant passt – und die Grundierung der Flasche Wein sich exakt in dem Schatten ihrer Ohrringe widerspiegelt…
Ja, der Film trieft vor Ästhetik und jede einzelne fucking Szene ist PERFEKT optisch abgestimmt und ästhetisch so dermaßen ausgewogen, dass es scheppert.
Leider hat man deswegen kaum Zeit gehabt, sich irgendwie um den Plot oder irgendwelche „Vorwärtsbewegungen“ erzählerischer Komponenten zu kümmern, weswegen das Gros der menschlichen Gesellschaft (alles Idioten, dieser Pöbel!) sich mehr oder weniger angewidert und gelangweilt durch diese Scheiße kämpft und selbst meine langjährigen und hartgesottenen Kinofans das Weite suchen, während ich mich brav bis zum Abspann da durch quäle und die Ziffernblätter meiner Apple Watch interessanter finde, als das, was da auf der Leinwand vor sich geht, denn: Dort bewegt sich wenigstens was.
Im Ernst: Es können doch nur solche elitären Vollpfosten sein, die so dermaßen viel Zeit übrig haben, um sich diesen „Ist-Zustand“ über anderthalb Stunden reindröhnen zu können, allen anderen ist die Zeit etwas zu schade dafür.
Und die Plakat- und Titelverarsche obendrein noch ein Kick ins Schienbein.
Naja, irgendwen wird’s freuen. Mich (und eine Menge anderer Leute) definitiv nicht.
Ein Film für elitären Ästhetik-Überschwang, der sich so weit von „Normal“ und „Mensch“ entfernt hat, dass es allen anderen einfach nur weh tut, diesen Film zu sehen. Wenn’s ne Top 5 der schlechtesten Filme dieses Jahres gibt: Dieser hat den Hauptgewinn eingefahren. Sorry – geht gar nicht.
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Muss man nicht abwarten, es folgt nichts weiter.
Kinostart: 10. September 2020
Original Title: The Photograph
Length: 107 Min.
Rated: FSK 0
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