
Liest man in den Schriften Wikipedias über die Person Gabriele Amorth, und blickt dabei auch noch ein bisschen zwischen die Zeilen, stellt man fest, was für eine gigantische Weirdness da Besitz von uns Menschen ergriffen hat und wie viele Individuen dieser geistigen Abnorm verfallen sind. Ein natürliches Maß an Vernunft und Weitsicht selbstverständlich vorausgesetzt.
Wenn ich von der Vereinigung der Exorzisten lese, erfahre, dass der Papst Exorzisten aus aller Welt empfängt, sexuelle Ausbeutung, Ermordung und Leichenentsorgung im Raum stehen, die Internationale Vereinigung der Exorzisten betitelt wird und man feststellt: Ja, es gibt Vereine, Verschwörer und Menschen, die ganze Sozialkonstrukte rund um das Thema Dämonen und Teufelsaustreibung generiert haben, dann möchte ich gar nicht wissen, wie tief dieser Sumpf ist und was da alles wirklich passiert.
„Ich bin übrigens im Tennisverein in meiner Heimatstadt, und du?“
„Ja, ich bin auch in einem Verein. Dem Verein der Exorzisten.“ O_O
Krank, es ist einfach krank, zu was wir Menschen uns hinreißen lassen und mit welcher Inbrunst und Hingabe man ganze Leben einer solchen Dummheit widmen kann.
Das Gefährliche an diesem Mann: Er stellt „Vernunftssätze“ in den Raum und macht dadurch das völlig Ungreifbare scheinbar logisch und folgt dabei einer perfiden Masche der Verblendung, indem er völlig zusammenhanglose Fakten zusammenführt und damit etwas darstellt, dass so durchaus angezweifelt werden darf. Oder um es pervers anders auszudrücken: Bei ihm fehlt stellenweise die Krassheit (ja, ich weiß, wie das in dem Zusammenhang klingt), was die natürliche Haltung der Menschen weg vom Surrealen führt und dadurch Glaubwürdigkeit aufkeimen lässt, denn immerhin „sind ja nur 10% Exorzismus, der Rest wäre dann Glaube“. Klingt vernünftig (Überraschung? Ist es aber nicht!).
Dass in einem kein 4seiten langen Bericht über die Kirche, Rom und den Vatikan nicht einfach mal „nichts“ auftauchen kann, sondern gleich wieder von Sexparties, Vergewaltigungen und Mädchenschändung die Rede ist … wow. Wenn die Kirche ihr Gedankengut tatsächlich so glaubt (und lebt), warum? Warum?
Insofern tut euch einen Gefallen und macht es lieber so, wie ich es zu tun pflege: Exorzismus ist ein hervorragender Basisstoff für exzellente Horrorfilme, Gruselabende und merkwürdige Situationen und endet genau da, wo das Sonnenlicht wieder scheint und die Realität anfängt.
Damit kann ich mich arrangieren – und das war’s dann auch schon. Das „echt“ in diesem Film sind tatsächlich nur die „echt weirden Gedanken“ des an einem Lungenleiden verstorbenen Exorzisten und möglicherweise noch das ein oder andere Verbrechen der Kirche … Wie war das nochmal mit Liebe? Nächstenliebe? Dankbarkeit? Irgendwie sind immer nur Greuel in einem Satz mit Kirche. Egal.
So, kommen wir also nun mal zu dem Film – oder machen nochmal einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit – diesmal aber der Filmwelt.
Die Mutter aller Exorzismus-Filme ist natürlich der 1973 erschienene Der Exorzist, dem natürlich Exorzist II – Der Ketzer und Exorzist III folgte (klassisch) und dann mit den Prequels Exorzist: Der Anfang und Dominion: Exorzist – Der Anfang des Bösen aufgestockt wurde.
Nun war’s etabliert und man hat sich im Horrorgenre dazu hinreißen lassen, immer neue Individuen vor der Kamera auszuhöhlen und begann mit Der Exorzismus der Emily Rose, dem folgte Requiem, Constantine, Stigmata, Der letzte Exorzismus, The Rite – Das Ritual, Devil Inside und mischte so das Genre auf und lies das Thema Exorzismus ziemlich verkommen. Irgendwann hatte man einfach keine Lust mehr, immer wieder die selben „Schrecken“ von vorne zu betrachten, dunkle miese Stimmen zu hören, Schleim erbrechen zu sehen und jemanden an die Decke hochgezogen werden lassen oder rückwärts auf allen Vieren durch irgendwelche schmierigen Flure kriechen zu sehen.
Yoah, schade, denn hier darf eigentlich so ziemlich alles gemacht werden, immerhin kann man seine filmischen Fehltritte ja anschließend damit entschuldigen, dass „die Figur des Dämons so angelegt sei“. Ich sehe hier einfach nur eine unfassbar große Spielwiese an kreativem Freiraum und wir sehen seit Jahren immer wieder den selben Mist, immer wieder die selben Plots, immer wieder die selbe Moral. Und geben dafür immer wieder neu Geld aus. (An der Stelle dann auch mal die Frage, wer hier eigentlich der Dumme ist).
Und jetzt kommt The Pope’s Exorcist (der schon mal erfreulicherweise keinen dämlichen deutschen Beititel hat, sondern einfach so heißt, wie das Original! Danke dafür!) und macht irgendwie alles anders.
Es ist nicht „kein Exorzismusfilm“, es wirkt einfach nur so, als ob man mit einer wunderbar gespielten „Realität“ punktet und alles etwas näher am Möglichen darstellt (obgleich man sich im Klaren darüber sein sollte, dass all dies nicht wirklich existiert, sondern es hier rein um gute Unterhaltung und ein bisschen Schrecken geht).
Und da punktet für mich der Film irgendwie auf ganzer Linie. Russell Crowe ist perfekt besetzt für die Rolle, man kauft ihm die Eigenschaften und den Charakter sowas von ab, weil er mit jeder Faser seines Körpers darstellt, was er hier zum Besten geben soll. Auch die Animationen können sich durchaus sehen lassen und sind nicht im hollywoodösen Ramschregal eingekauft worden – bis dahin, dass selbst der Plot ein überraschendes Gefühl von „… bisher so noch nicht dagewesen“ hat. Es wird nicht übertrieben und die Anfangs Herrn Amorth vorgehaltene Masche der fehlenden Krassheit gibt dem Film hier erfrischend Aufwind, denn der hebt sich gefühlt von allen anderen Exorzismusfilmen dadurch erheblich ab – sehr zur Freude des Kinozuschauers.
Yoah – und in dieser Region hinterher noch einen coolen Plottwist zu bringen, der auch hier wieder mit überraschend viel „wie geil ist das denn“ auf den Tisch haut … besser geht’s eigentlich gar nicht.
.kinoticket-Empfehlung: Nachdem dieses Genre längst eingeschlafen und zur C-Movie-Base verkommen ist, pustet dieser Titel wieder Leben hinein und lässt es erstaunlich unterhaltsam und verdammt „realitätsnah“ wieder auf der Leinwand aufleben. Wer Fan solcher Filme ist und lange nichts gutes mehr gesehen hat (und Der Exorzist auswendig mitbeten kann), sei hiermit herzlich eingeladen zu knapp 2 Stunden fantastischer Unterhaltung, bei der nahezu alles stimmt. Daumen hoch!
Nachspann: 🔘⚪️🔘 | Der ist ganz nett bebildert und animiert – und am Schluss erwartet euch auch noch eine kleine Überraschung 😛
Kinostart: 06. April 2023
Original Title: The Pope’s Exorcist
Length: 103 Min.
Rated: FSK 16
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