
Christian Petzold und Franz Rogowski gehören zusammen wie Leonardo DiCaprio und Martin Scorsese – mit dem Unterschied, dass erstgenannte einheimische Filmschaffende sind, die – genau, wie bei Scorsese auch – einen ganz eigenen Filmgeschmack liefern und sich dabei konsequent treu bleiben.
Filme mit Rogowski muss man mögen, seine spezielle Art mag nicht jedem angenehm erscheinen. Er selbst spielt oft den etwas unnahbaren, ruhigen, gesellschaftlich-defensiven Charakter in seiner ganz eigenen Welt, die – nach einigem Betrachten – für den Zuschauer ihre ganz eigenen, kleinen Schönheiten zu offenbaren und damit durchaus zu punkten weiß.
Das war in LUX – Krieger des Lichts so, das war in Transit so, das war in In den Gängen so – und da macht nun auch Undine keinen Unterschied.
Genau das erhebt sich bei dem aktuellen Werk Petzolds zu seinem möglicherweise größten Problem auf: Die Vergleichbarkeit mit seinen früheren Werken, insbesondere Transit. Schreibt man ein paar Namen, Momente, Orte und andere Kleinigkeiten um, erhält man das dramaturgische Pendant zu seinem einstmals gefeierten Werk.
Der Märchen-Charakter, den Petzold mit seiner Erzählung der Geschichte entlocken will, möchte nicht so recht aufkeimen, auch wenn die an Berlin angelehnte Darstellung einer Großstadt durchaus verlockend neu erscheint.
Als Zuschauer läuft man aber vielmehr mit der Sinnfrage dem Ausgang entgegen, die der Film an sich nicht so richtig beantworten möchte. Das dramaturgische Trara, das Wiener Opernball-Feeling von anderen Märchen dieser Art bleibt hier völlig aus und macht dem kalten, betonhaften, stumpfen Klang einer fast schon dystopischen Welt Platz, die wiederum überhaupt nicht romantisch und damit von Märchen so weit entfernt ist wie kaum etwas.
Trotz allem punkten beide Hauptdarsteller – sowohl Rogowski als auch Paula Beer – wieder durch ihr überzeugendes Schauspiel, wenngleich sich eine dritte Koryphäe unbemerkt ins Bild schleicht: Die Geschichte der Stadt Berlin, die man hier ganz nebenbei ziemlich gut in Szene gesetzt hat und die Hauptstadt damit in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt.
Damit gehört der Film für mich zu den absoluten Nischenfilmen, für die man sich bewusst entscheiden muss, um sie zu mögen. Die breite Masse dürfte damit ganz sicher ihre Schwierigkeiten haben.
Erinnert zu stark an Transit und verfitzt sich ein bisschen bei dem Versuch, das Märchenhafte zu erschaffen. Dennoch überzeugen die Hauptdarsteller durch ihr Können und auch die Stadt Berlin erlebt hier würdige Huldigungen. Nischenkino.
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Hat keine weiterführenden Szenen, rausgehen erlaubt.
Kinostart: 02. Juli 2020
Original Title: Undine
Length: 89 Min.
Rated: FSK 12
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