
Okay, wie führe ich euch nun zu diesem Thema hin, ohne dass mir ein Großteil von euch in irgendwelchen Klischee-Abgründen verloren geht?
Haltet inne – und lest wenigstens zu Ende, bevor ihr genervt abbrecht und vielleicht nicht rein geht.
Vogelperspektiven – ein Film über Vögel, vermutlich dokumentarischer Natur.
Boum, hier schlägt die BBC zu, die Mutter aller Naturdokus. Die wiederum leiden am Klischee der düsteren Dystopie, in der uns schon seit allenthalben das Ende der Welt in schrecklichstem Ausmaß vorgestellt wird, wenn wir nicht „unverzüglich handeln“.
Je schneller alles kaputt geht, in sich zusammen bricht, schlimmer wird, man alles brennen sieht, umso „gelungener“ ist die Doku. So zumindest hat es den Eindruck. Das Maß der „medialen Beeindruckung“ ist definitiv ein wichtiger Faktor bei solchen Movies, denn sie entscheidet über den Erfolg eines Films, wohl aber kaum über den Erfolg oder Misserfolg eines Planeten. Dieser Zusammenhang wird oft nicht ausreichend bzw. gar nicht beleuchtet.
Das krasse Gegenbeispiel: Unser blauer Planet bzw. Planet Erde – krass ultrahochauflösende Bilder aus „Vogelperspektive“, die uns die Schönheit unseres Planeten vor Augen führen und vor Erstaunen erzittern lassen.
Seitdem fällt es mir sowieso schwer, an irgendwelchen Dokumentationen Freude zu empfinden, weil nirgendwo so extrem viel Zeit, Hingabe, Liebe und professionelles Fachhandwerk drin steckt, als in diesen beiden überragenden Serien.
Ein wenig Vorfreude war also schon da, als man mich zur Vorstellung geladen hat, um mir das neue Werk des Das geheime Leben der Bäume-Regisseurs anzuschauen. Und ich bin recht zwiegespalten, was das Ergebnis angeht.
Ja, es ist beeindruckend und nach wie vor finde ich, dass die Leinwand genau das richtige Medium ist, um Sensibilität zu erzeugen und den Menschen zu zeigen, woraus unser Planet gemacht ist und was wir da eigentlich in unseren Händen halten (und unbewusst mit Füßen treten, wenn wir uns nicht ein wenig um Naturschutz/Klima/Lebensräume von anderen scheren).
Ein ganz mieses Gefühl krieg ich allerdings, wenn diese ökobehafteten Figuren in Fußgängerzonen in schlechten Stiefeln und mit verranzten Blättchen auf mich zulaufen und um Geld betteln, im Namen von XYZ. Hier ist dann oft von „namhaften Vereinen oder Verbünden“ die Rede, von denen man selbst noch nie gehört hat oder die man kaum zuordnen kann oder die auf andere Art eine „Volksnähe“ hätten, denn sie sind zwar da, aber auch irgendwie weit weg.
Einer dieser Verbünde, die große Arbeit leisten und „im Hintergrund agieren“ ist der LBV – der Landesbund für Vogelschutz in Bayern. Eigentlich hätte der Film „Das Leben und Wirken des LBV“ heißen müssen, denn hier konzentriert man sich unfassbar eng an deren Arbeit und Wirken und kriegt „nebenbei“ noch ein paar Vögelchen mit und erfährt trotzdem etwas über eine völlig andere Welt, die man als Außenstehender bisher vielleicht so noch nie wahrgenommen hat.
Die Nähe zur Übertrittsgrenze von Aktivismus ist am Ende des Films quasi fast schon überschritten, was es in meinen Augen zwar zu einem absoluten NoGo macht, man aber dennoch nicht umhin kommt, diesen Film trotzdem zu empfehlen, denn er führt einen eben auch in die Natur ein, wenn auch viel zu wenig.
In meinen Augen hätte das „kommentarlose Beobachten von Vögeln“ völlig ausgereicht, denn allein die Bilder, mit denen man in die Show startet, reichen völlig, um in einem drin etwas zu bewirken und eine Sensitivität aufzurufen, die vorher nicht da war. Das – gepaart mit dem vorherigen Kauf eines Kinotickets, um andere Ablenkungsmanöver zu eliminieren, wäre schon eine ausreichend potente Portion von Aufmerksamkeit in die richtige Richtung gewesen, um diesem Thema mehr Gewicht im Alltag von uns allen zu verleihen … und die „blöde Einmischung von Verein XY“ macht aus dem allen dann halt immer wieder dieses „mieses Bauchgefühl-Beigeschmack“-Ding, auf das ich gerne verzichtet hätte.
Ich fühle mich quasi von dem Titel des Films in die Irre geführt, denn über Vögel wird zwar hier und da berichtet, viel mehr geht es aber eher um die Arbeit dieses Vereins und was sie damit erreichen wollen – in politischer Hinsicht, im „selbst beweihräuchern“ … und zu allem Überfluss erzählt uns der Macher im Presseheft noch, dass „…das ja kein Image- oder Kampagnen-Film mit einer reinen Agenda, kein lauter Aktivismus und schon gar keine Predigt ist“, ich es aber als genau das empfunden habe… Yo, wer hat nun Recht?
Hier offenbart sich einmal mehr das Problem von „laut schreienden Aktivisten“, die womöglich tatsächlich für eine gute Sache kämpfen, damit aber in eine Ecke abgestellt werden, die der Allgemeinheit völlig fremd und widersinnig ist und von den meisten mit Unmut abgetan wird (außer natürlich von den Extrem-Bio-Heinis, die sowieso auf einem anderen Planeten leben).
Eine Annäherung ans Normale, an die Realität, an das, wie es wirklich ist – ohne Über- aber eben auch ohne Untertreibung wäre wohl eher wirksam. Und genau das hätten simple Beobachtungsaufnahmen bewirkt, wenn man einfach nur dabei zugesehen hätte, wie Vögel so sind.
Diese Bilder gibt es – aber eben viel zu wenig. Nehmt diese wenigen aber bitte dennoch mit.
.kinoticket-Empfehlung: Lockt mit Sensibilisierung für Vogelkunde und tierischer Vielfalt, enthält aber zu viel aktivistischen Flair und macht sich selbst damit die Show kaputt … die Bilder über Natur sind aber dennoch extrem sehenswert und lohnen den Gang ins Kino.
Nachspann: 🔘⚪️⚪️ | Anfangs gibt es noch ein paar bebilderte Vögel zu sehen, anschließend darf man den Saal gerne wieder verlassen.
Kinostart: 16. Februar 2023
Original Title: Vogelperspektiven
Length: 106 Min.
Rated: FSK 0
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