
Dieser Film ist ein einziges Wunder und es ist mir immer noch unbegreiflich, wie so etwas in unserer Welt stattfinden konnte.
„Der Grund, warum ich springe“ bzw. Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann ist die Verfilmung eines Buches im Dokumentarstil, welches ein 13jähriger Autist aus Japan geschrieben hat, in dem er uns Menschen erklärt, wie Autismus funktioniert und welche Art der Wahrnehmung diese Menschen auf unsere Welt haben.
Abgesehen von dem wahnsinnig spannenden Einblick in diese verborgene Welt ist dieses Werk ein Appell, sich ganz neu mit dem Leben auseinanderzusetzen. Hier wird nicht auf Tränendrüsen gedrückt oder irgendwelchen indischen Mamas die Chance gegeben, international rumzuheulen, um irgendwelche Spenden einzusammeln, sondern man wird hoch professionell und unglaublich wissenschaftlich, dabei aber auch grenzenlos künstlerisch in eine Welt entführt, die uns in eine vollkommen neue Dimension entrückt und eines mit voller Gewalt explodieren lässt: Verständnis.
Naoki Higashida hat es geschafft, in seinem kindlichen Wesen seine Welt lückenlos zu beschreiben und dabei so ziemlich alle Vorurteile unmissverständlich aufzuklären, und zwar so, dass sie jeder Erwachsene außerhalb des Autismus in Relation bringen kann und auf einmal versteht, warum diese Menschen so sind wie sie sind. Die Kamera, die sich hier als „Auge des Autismus“ versteht, hilft einem unfassbar dabei, die Momente so zu begreifen, wie sie Autisten erleben.
Neben der metaphysischen Ebene, unsere Welt wieder mal durch ein völlig anderes Glas zu betrachten, die dieser Film ganz nebenbei auch noch offenbart, enthält dieses Werk eine reichhaltige Fülle an Ergebnissen, die dazu beitragen, dass wir zukünftig mit Autismus ganz anders umgehen können.
Die durchschlagenden Ergebnisse sind in meinen Augen preisverdächtig. Was dieses unscheinbare und kurze Filmmonument in kürzester Zeit zur zwischenmenschlichen Verständigung beiträgt und einfach mal so eine komplexe und bislang unerforschte Krankheit offenbart, ist atemberaubend.
Dabei schafft man es nicht nur, Autisten selbst in das Geschehen mit einzubeziehen, sondern eröffnet ebenfalls eine Chance, das bisher Unbegreifliche begreiflich zu machen – und haut dabei einige Male ein paar schockierende Wow-Momente raus.
In meinen Augen ist dieses Werk nicht nur Pflichtlektüre für Menschen, die was mit Autismus am Hut haben, sondern gerade für diejenigen, die sich bisher nie damit auseinandersetzen mussten. Denn all die verletzenden Momente entstehen immer an dem Grenzraum zwischen „Betroffen“ und „Keine Ahnung von sowas“.
Hier spricht dieser Film eine Einladung aus, all jene zu verstehen, die bisher in die Ecke geschoben und dort alleine gelassen wurden.
.kinoticket-Empfehlung: Eine Ode an die Menschlichkeit, ein Juwel, das Einblick in bislang verborgene Welten offenbart, die sich inmitten unseres Alltags abspielen. Dieses Werk zündet ein Feuerwerk von Verständnis für all jene, die in der Gesellschaft bislang ausgegrenzt und allein gelassen wurden – und erklärt, was im Inneren der Menschen abgeht, in die man augenscheinlich nicht vordringen konnte. Eine Offenbarung.
Nachspann: ⚪️⚪️⚪️ | Hier folgen keine weiteren Szenen, rausgehen erlaubt.
Kinostart: 31. März 2022
Original Title: The Reason I Jump
Length: 92 Min.
Rated: FSK 6
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