
September 2020 kam ein Film raus, den ihr hoffentlich inzwischen alle gesehen habt: Die Epoche des Menschen. Hier wurde auf sehr eindrückliche Art und Weise ein „Momentum“ unserer Zeit eingefangen und für die Ewigkeit konserviert.
Mit „Draufhalten und einfach Zeigen“ schufen die Macher damals sehr viele Emotionen, Gedanken, Überlegungen und Philosophien, die durch diese kommentarlosen und doch himmelschreienden Bilder befeuert wurden.
Wer wir waren setzt an genau diesem Punkt an und erhebt dieses Gedankenkonstrukt nun in die nächsthöhere Liga. Eigentlich unfassbar, dass genau so etwas gerade aus deutscher Schmiede stammt – aber ganz ehrlich: Als Land der Dichter und vor allem Denker gelten wir ohnehin als prädestiniert für kreative Schaffenskunst mit dieser intellektuellen Dichte und es ist ein Jammer, dass so viele Jahre vergehen mussten, bis Werke wie dieses auf den Leinwänden unseres Landes gezeigt werden können.
Als Grundlage dient hier das Schaffenswerk von Roger Willemsen, der als einer der großen Denker unserer Generation gilt und 2016 eine einzige Zeile seines nächsten Werkes hinterließ: „Wer wir waren“.
Seine geistigen Errungenschaften finden sich u.a. in der von ihm gehaltenen Zukunftsrede wieder und wurden von Regisseur Marc Bauder in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit mit dem hr, rbb, SWR und arte nun in diesem Film ausgearbeitet.
Was soll ich euch nun darüber erzählen, ohne gleich alles vorweg zu nehmen?
Euch bitten, einfach in ein Kino eurer Wahl zu gehen und euch dort die Vorstellung mit sehr viel Aufmerksamkeit, Zurücklehnen und einer tiefen, inneren Ausgeglichenheit zu Gemüte zu führen?
Es mag sein, dass die ein oder andere Sequenz schon unzählige Male in abgewandelter Form irgendwo im TV oder anderen Dokumentationen lief, zumindest kann keiner sagen, so etwas nicht schon einmal gesehen zu haben. Jedoch entfesselt man hier eine eindrucksvolle, bildgewaltige Aura, die mich sofort in der ersten Sekunde gepackt und nicht mehr losgelassen hat. Diese Wirkung wird durch die Schwere, die eine Kinoleinwand mitsamt dem umgebendem Raum bietet, noch um ein Vielfaches verstärkt.

Man starrt geplättet auf die Schönheit und Eleganz, man findet sich in völlig anderen Sphären wieder, man besucht Orte, an die unsereiner niemals (und schon gar nicht ohne ein paar Millionen in der Tasche) reisen könnte und entwickelt so einen durchdringenden, tiefen, neuen Blick auf die Wesensart „Mensch“ und den ihn beheimatenden Planeten Erde.
Wie viele Streits, Kriege, wieviel Leid und Schmerz werden ausgelöst, weil sich einige nicht auf einen Konsens einigen können? Wer sind wir? Wo führt unser Lebensstil hin? Was sind unsere Aufgaben? Wie sieht’s aus und wo rasseln wir rein, wenn niemand etwas unternimmt?
Drama Baby? No way! Wer wir waren lässt sechs hochrangige Wissenschaftler:innen und Denker:innen zu Wort kommen, die ihre fortschrittlichen Erkenntnisse auf eine Art teilen, die man gerne als Hirnfeuer bezeichnen darf.
Untermalt vom Soundtrack, der hierfür extra vom Orchester des Hessischen Rundfunks eingespielt wurde, umgeben von den Eindrücken visueller Natur, befeuert vom Geist und den absolut über den Tellerrand hinaus entwickelten Gedanken und Ideen entdeckt man sich selbst inmitten von Klugheit, Wissen, Weisheit und positivem Zukunftsoptimismus wieder, der seinen eindrücklichen und dringlichen Beigeschmack nie verliert, den Zuschauer aber auch niemals in die Ecke der Unmöglichkeit drängt und ihm die Hoffnungslosigkeit per Dekret aufzwingt.
Vergesst also das ganze Geschrei, den Polit-Aktivismus, die ganzen „Wilden“ da draußen, die immer verrückter und wütender durch die Medien geschaukelt werden und den Weltuntergang prophezeien: Wer wir waren entreißt euch dem Wahnsinn unserer Zeit und verschifft euren Geist an Orte, die euch den nötigen Raum liefern, um ganz neu über die Dinge nachzudenken, sie völlig anders wahrzunehmen und aus einem gänzlich anderen Blickwinkel neu zu entdecken und zu erforschen, um daraus einen Konsens zu finden, der sich anzustreben lohnt und unserer Spezies wieder Zukunft bietet.

Dabei wird dir so oft der Kopf in alle möglichen Richtungen verdreht und du als Geschöpf einfach in eine Situation hinein geworfen, in der du dich dann ausruhen und deine Gedanken kreisen lassen darfst, während die ruhigen Stimmen der einzelnen Protagonist:innen dir ihr Wissen in absolut verdaulichen Häppchen vermitteln und dir so eine geballte Kraft an geistigem Futter zukommen lassen: Ein absolutes Privileg, solch einer unbezifferbar großen Menge geistigen Reichtums teilhaft werden zu können und Persönlichkeiten wie Alexander Gerst oder Sylvia Earle in ihren Ausführungen zuhören zu dürfen.
Ganz ehrlich: Jeder Preis, den ein Kinoticket kosten könnte, wiegt nicht auf, was ihr dafür an die Hand kriegt.
Also nutzt die Chance und lasst euch das inzwischen längst ausgezeichnete Werk unter absolut gar keinen Umständen entgehen – es ist eine Erfahrung, die gewiss nicht so schnell wieder kommen wird.
.kinoticket-Empfehlung: Der Zuschauer wird privilegiert, an Orte und in Gedanken von Menschen zu reisen, die einen völlig anderen, weit über den Tellerrand hinaus ragenden Blick auf das Wesen der ganzen Menschheit gerichtet haben. Dabei steht nicht – wie so häufig – das Weltuntergangsszenario im Vordergrund, sondern ein durch und durch optimistisch vorwärtsdrängender Blick in eine Zukunft, die eines im Übermaß liefert: Hoffnung und Perspektive für jeden Einzelnen von uns.
Nachspann: ??⚪️ | Geht’s gemütlich an – hier kommt dann die „Auflösung“ und euch wird gesagt, wer wer ist und einige der Projekte gezeigt und benannt.
Kinostart: 08. Juli 2021
Original Title: Wer wir waren
Length: 114 Min.
Rated: FSK 0
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